Organisierter Wahnsinn im Jemen: Saudi-Arabien, USA, al-Qaida und ISIS haben den gleichen Feind
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Dieser Artikel schließt einige Teile des vorherigen Artikels Saudi-Arabien, der Westen und der Terrorismus mit ein.
Zusammenfassung
Saudi-Arabien ist im Bündnis mit den USA dabei, mit einem Bombenkrieg den bereits destabilisierten Jemen in die endgültige Kataststrophe zu stürzen, den Hass zwischen den Religionen - zwischen Sunniten und Schiiten – zu verstärken und der al-Qaida des Jemen einen weiteren Aufschwung zu ermöglichen. Auch die Bundesrepublik Deutschland hält den saudischen Bombenkrieg für legitim. Im Ergebnis ist ein weiterer Vormarsch des islamistischen Fundamentalismus in Nordafrika zu befürchten. Es geht Saudi-Arabien um eine Eindämmung des Iran und die Kontrolle über die eigene schiitische Minderheit im Land, wobei belastbare Belege für eine Beteiligung des Iran an dem Konflikt bisher nicht vorgelegt wurden. Beiden, Saudi-Arabien und den USA, geht es um den gesicherten Zugriff zu einer der weltweit wichtigsten Schifffahrtsrouten für den Öltransport. Außerdem soll das Bündnis zwischen dem fundamentalistischem Gottesstaat Saudi-Arabien und den USA weiter gefestigt werden. Der Krieg richtet sich gegen die Huthis, die für eine besonders moderate Form des schiitischen Islams stehen und übrigens die religiösen Autoritäten des Iran nicht anerkennen. Aufgrund von Marginalisierung, Diskriminierung und Massenverhaftungen wandelte sich diese Bewegung von einem friedlichen Protest in eine militärische Widerstandsbewegung. Als Hauptfeind richten sich die Huthies gegen Gruppierungen um al-Qaida und den islamischem Staat (ISIS), wobei al-Qaida soeben ein Kopfgeld auf den Führer der Huthi ausgesetzt hat. Die USA und die westliche Staatengemeinschaft gehen ein riskantes Spiel ein, einen Bombenkrieg gegen den Hauptgegner der al-Qaida im Jemen zu unterstützen. Dabei unterstützen sie eine arabische Staatengemeinschaft aus Unrechtsregimen, denen es sicherlich nicht um die Menschenrechte geht. Die USA scheinen davon auszugehen, die Nachkriegsordnung im Jemen bestimmen und gemeinsam mit Saudi-Arabien einen Statthalter der eigenen Interessen dort als Präsidenten einsetzen zu können. Für diese durchaus fragwürdige Aussicht wird die Möglichkeit eines weiteren Aufschwungs von al-Qaida und islamischem Staat (ISIS) in Kauf genommen.
Krieg im Jemen
Soeben hat Saudi-Arabien seinen Bombenkrieg im Jemen ausgedehnt. Die USA leisten aktive Unterstützung durch logistische und geheimdienstliche Hilfe und das Auftanken der saudischen Bomber (siehe hier und hier). Die USA sind damit als eine im Hintergrund agierende Kriegspartei zu bewerten.
Saudi-Arabien handelt im Bündnis mit einer illustren Reihe arabischer Staaten, unter ihnen das Ägypten des Fattah as-Sisi, der laut Human Rights Watch ein ägyptisches Tiananmen-Massaker an Demonstranten verüben ließ, in dessen Verlauf mehr als 1000 Menschen am Rabha-Platz durch Polizeikräfte erschossen wurden, HRW spricht von einer Abschlachtung (siehe hier). Zu den Verbündeten Saudi-Arabiens gehört aber auch der Sudan des Omar al-Bashir, gegen den ein gültiger Haftbefehl des internationalen Gerichtshofs in Den Haag wegen Kriegsverbrechen in Darfur vorliegt (siehe hier). Ebenfalls zur Koalition gehört das Königreich Bahrain. Es handelt sich hier um eine sunnitische Monarchie, die mit Gewalt gegen die schiitische Mehrheit der eigenen Bevölkerung regiert und auf Truppen Saudi-Arabiens zur blutigen Niederschlagung friedlicher Proteste zurückgegriffen hatte. Auf den Seiten des Bahrain Center for Human Rights (siehe hier) finden sich erschütternde Dokumentationen über politische Verfolgung, willkürliche Inhaftierungen, die Ausschaltung jeder Opposition und Folter.
Gleichzeitig gehört Saudi Arabien selbst als Hauptakteur der Luftangriffe zu den Staaten, die schwere Menschenrechtsverletzungen begehen. In seinem Herrschaftsgebiet setzt es eine fundamentalistische Islamauffassung als einzig wahre Religion durch. Enthauptungen, Auspeitschungen, extreme Restriktionen der Bewegungsfreiheit von Frauen sowie die weltweite Finanzierung eines fundamentalistischen Islams charakterisieren die Politik Saudi-Arabien (siehe ausführliche Analyse und Belegangaben hier im vorherigen menschenrechte-eu Artikel).
In Anbetracht dieses Staatenbündnisses kann gefolgert werden, dass die westliche Staatengemeinschaft sicherlich nicht für die Menschenrechte eintritt, wenn sie den Bombenkrieg im Jemen unterstützt.
Humanitäre Katastrophe
Derweil wird die Weltöffentlichkeit Zeuge, wie im Jemen eine humanitäre Katastrophe entsteht. Die Anzahl der Bombenopfer nimmt drastisch zu. Die einst virulente Hauptstadt Saaba ist seit dem Beginn des Bombenkrieges zu einer Geisterstadt geworden. Die Menschen fliehen und Geschäfte sind geschlossen. Explosionen erfolgen bei Tageslicht im Minutentakt, bei Nacht im Sekundentakt (siehe hier). Die Versorgung der Bevölkerung des Jemens, seit Langem das Armenhauses der arabischen Welt, mit Lebensmitteln und Medikamenten ist nicht ausreichend gewährleistet. Schon in den ersten Tagen des Bombenkrieges sind 100000 Menschen im Jemen auf der Flucht (siehe hier). Die UNO fordert eine Kampfpause. Der Jemen befindet sich am Abgrund und die saudischen Bombenangriffe sind geeignet, das Land vollends in den Abgrund zu stoßen.
OXFAM spricht davon, dass der Jemen auf eine humanitäre Katastrophe zusteuere (siehe hier). Fawaz A. Gerges, Professor für die Politik im vorderen Orient an der London School of Economics wird in der Washington Post mit den Worten zitiert: " If Yemen descends into all-out war, which is a likely scenario, we could witness a greater humanitarian crisis than that of Syria, in terms of refugees and mass starvation ...You could end up with al-Qaeda being the main winner after this conflict.”
Saudi-Arabien, seine arabischen Verbündeten und die USA haben im Jemen zusammen mit al-Qaida und dem dort erstmals in Erscheinung getretenen islamischen Staat (ISISI) einen gemeinsamen Feind, die sogenannten Huthis (Huthis). Diese haben über große Teile des Jemen derzeit die militärische Kontrolle. Al-Qaida hat mittlerweile eine Belohnung von 20 Kilogramm für die Tötung oder Festnahme des Führer der Huthis, Abdel-Malek al-Huthi, oder seines derzeitigen Verbündeten, des ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh, ausgesetzt (siehe hier).
Im Windschatten des saudischen Bombenkrieges gewinnt al-Qaida massiv an Auftrieb. Al-Qaida hat bereits die Stadt Mukalla im Süden eingenommen (siehe hier) und soeben wurde der al-Qaida Führer Khaled Batarfi zusammen mit 270 Gefangenen durch sunnitische Islamisten aus dem Gefängnis befreit (siehe hier). Selbst US-Verteidigungsminister gibt zu, dass al-Qaida von dem saudiarabischen Bombenangriffen profitiert und durch diese an Boden gewinnt (siehe hier).
Doppelte Maßstäbe
Offiziell geht es Saudi-Arabien und den USA um die Wiederherstellung der "legitimen Präsdentschaft" von Abd Rabbuh Mansur al-Hadi. Dieser war vor den Huthis aus Sana geflohen, hatte zunächst seinen Rücktritt erklärt, um diesen dann zurück zu nehmen und Aden zur neuen Hauptstadt des Jemen zu erklären (siehe hier). Mittlerweile ist er in die saudische Hauptstadt Riyadh geflohen, während Saudi-Arabien sein eigenes Land bombardiert (siehe hier).
Als Präsident des Jemen installiert wurde Abd Rabbuh Mansur al-Hadi ursprünglich unter maßgeblicher Beteiligung von Saudi- Arabien und den USA. Er wurde 2012 mit 98,8 % der Stimmen und ohne Gegenkandidat zum Präsidenten gewählt (siehe hier). Im Vergleich erhielt der syrische Machthaber Assad bei der letzten Wahl 2014 lediglich 88,7 % der Stimmen. Seine Gegenkandidaten erhielten jeweils 4,3 % und 3,2 % der Stimmen. Nicht unberechtigt wurden diese Wahlen von Kritikern, einschließlich den USA, als Farce bezeichnet (siehe hier). Die Wahlen im Jemen kommentierte der Obama-Berater John Brennan aber folgendermaßen: „"Yemen has proved ability to move from the past to the present via ballot boxes“ (siehe hier).
Im Bündnis mit der absoluten Monarchie Saudi Arabien, in der es keine Gewaltenteilung gibt und der König sogar über den eigenen Gesetzen steht, vertreten die USA für den Jemen andere Maßstäbe der Glaubhaftigkeit von Wahlergebnissen als sie diese bei Staaten anlegen, mit denen sie keine freundschaftlichen Beziehungen pflegen. Die USA interpretieren insofern ein Wahlergebnis von 99,8% ernsthaft als Ausdruck demokratischer Legitimation. Dass solche Wahlfarcen nicht zu einer Lösung gesellschaftlicher Spannungen und Gegensätze führen, zeigt dabei der aktuelle Bombenkrieg gegen die Huthies in Jemen. Das Argument der legitimen Präsidentschaft von Abd Rabbuh Mansur al-Hadi hat inhaltlich keinerlei Wert, sondern ist als Ausdruck von Kriegspropaganda zu bewerten.
Als weiterer Grund für den Krieg wird der Iran benannt. Dieser unterstütze die schiitischen Huthis und sei daher maßgeblich für eine Destabilisierung des Jemen verantwortlich. Allerdings ist bis heute kein echter Beleg für eine militärische oder finanzielle Beteiligung des Iran an diesem Konflikt veröffentlicht worden, auch wenn eine Unterstützung durch den Iran durchaus möglich ist (siehe hier und hier). Saudi-Arabien sind derartige Unterstützungszahlen an Gruppierungen, die ihren Regierungen gegenüber kritisch eingestellt sind, im übrigen bestens bekannt. Schließlich ist Saudi-Arabien nach wie vor der weltweit größte Finanziers fundamentalistischer islamistischer Widerstandsbwegungen (siehe hier). Iran selbst streitet eine Beteiligung ab und verurteilt das Vorgehen Saudi-Arabiens. Es ist durchaus möglich, dass die Vorwürfe gegen den Iran - jedenfalls bezüglich des Ausmaßes möglicherweise geleisteter Unterstützung für die Huthis - einen vergleichbaren Wahrheitsgrad haben wie damals die Behauptungen, dass Saddam Hussein über Massenvernichtungsmittel verfüge.
Während die Luftangriffe im Jemen zu Tod und Verwüstung im Jemen führen und al-Qaida so der Weg freigebombt wird, richtet US-Außenminister Kerry mahnende Worte an den Iran, die Unterstützung der Huthis zu unterlassen. Die USA werde keine versteckte Kriegsführung über Grenzen akzeptieren (siehe hier). Mahnende Worte an Saudi-Arabien wegen seines Bombenkrieges und dessen desaströser Folgen für die Menschen im Jemen wurden durch den US-Außenminister nicht vorgebracht.
Konflikt ist innenpolitisch
Der Konflikt mit den Huthi ist sicher nicht durch Iran erzeugt worden und ist nach wie vor vor allem innenpolitischer Art. Der Konflikt besteht im Jemen seit Langem, wobei es der vorherige wie auch der aktuelle Präsident verpassten, zu einer Kompromisslösung zu gelangen. Tatsächlich waren Saudi-Arabien und die USA jahrzehntelang mit dem gestürzten Präsidenten Saleh verbündet, der diktatorisch regierte und gegen die Huthis militärisch vorging. Erst jetzt haben sich die Fronten verkehrt und die Huthis haben sich mit Saleh, dessen Gefolgsleuten und einem Großteil des jemenitischen Militärs verbündet (siehe hier).
Die Huthis traten ursprünglich 1992 als eine Bewegung mit den Namen "Believing Youth" auf, die für religiöse Toleranz, Frieden und einen maßvollen Islam plädierte und sich damit sowohl von dem sunnitischen wahhabitischen Extremismus Saudi-Arabiens als auch vom schiitischen Extremismus abgrenzte (siehe hier und hier). Die Gegnerschaft zur US-Invasion im Irak 2003 resultierte in staatlicher Repression und Massenverhaftungen, aus der sich 2004 der nunmehr auch bewaffnete Widerstand der Huthis entwickelte. Aufgrund jahrelang erlebter Marginalisierung und Unterdrückung kam es in der Folgezeit zu einer weiteren Radikalisierung und Militarisierung des Protestes.
Die Huthis sind Zaiditen (Seiditen) und bekennen sich damit zu einer besonderen Form des schiitischen Islam. Diese Form der Shia entstand im 8. Jahrhundert und geht auf Zaid Ben Ali, einem Urenkel Husayn bin Alī zurück, der der Enkel von Mohammed und der dritte schiitische Iman war. Er verweigerte dem Kalifen Yazid I die Gefolgschaft und wurde zur Strafe enthauptet. Durch einen Nachkommen von Zaid Ben Ali wurde 859 die Herrscherdynastie des Jemen begründet, die bis zum Bürgerkrieg 1962–1970 intakt blieb.
Aufgrund der Zugehörigkeit der Huthi zum schiitischen Islam wird der Vormarsch der Huthi als iranische Aggression gedeutet. Tatsächlich aber stehen sich Zaiditen und die Schiiten im Iran theologisch nicht nahe. Die Zaiditen erkennen die religiösen Autoritäten des schiitischen Islam im Iran nicht an. Sie entwickelten eine von der restlichen Shia stark divergierende Konzeption von Führerschaft, wobei sie die Imane vorwiegend unter den Verwandten Alis suchten, die Unfehlbarkeit der Imane nach Husayn ablehnten und zeitweilig mehrere Imane gleichzeitig anerkannten. Die Zaiditen weisen in vielen Aspekten eine deutlich größere Nähe zu den Sunniten als zu den Schiiten auf, einschließlich der Anerkennung des ersten sunnitischen Kalifen.
Huthis gegen saudischen Islamradikalismus und al-Qaida
Es ist kein Zufall, dass al-Qaida nunmehr die Huthies und die Zaiditen zu ihren Todfeinden erklärt hat. Denn die Zaiditen und mit ihnen die Huthis vertreten die moderateste Form des schiitischen Islams und stehen in starkem Widerspruch zum Radikalismus des saudischen Wahhabismus.
Innerhalb Saudi-Arabien werden Zaiditen verfolgt. Sie müssen ihren Glauben verbergen und die letzte Moschee der Zaiditen wurde durch Saudi-Arabien längst unter sunnitische Kontrolle gestellt (siehe auch hier). Aber auch im Jemen klagen die Zaiditen, die bis zu 40% der Bevölkerung stellen, seit Langem über Verfolgung und Diskriminierung sowie die regierungsamtliche Förderung salafistischer, mit dem Modell Saudi-Arabiens vereinbarer Islamauslegungen (siehe hier). Nun greift Saudi-Arabien im Jemen de facto die Zaiditen direkt an, womöglich auch, um sicher zu stellen, dass die im eigenen Land unterdrückte schiitische Minderheit, einschließlich der Zaiditen, langfristig von allen Versuchen der Emanzipation und des Widerstandes absieht.
Wieso stellen sich die USA gegen die Huthis?
Die Huthis stehen der radikalen Islam-Auslegung der al-Qaida, die in weiten Teilen dem wahhabitischen Radikalismus Saudi-Arabien entspricht, unversöhnlich gegenüber. Es stellt sich die Frage, warum die USA sich in diesen Konflikt auf Seiten Saudi-Arabiens einmischen und auch warum die Bundesrepublik Deutschland diesen Kurs unterstützt? Immerhin wird hier gekämpft gegen Anhänger einer eigentlich moderaten Form des schiitischen Islam, die in Saudi-Arabien selbst unterdrückt werden, auf die al-Qaida ein Kopfgeld ausgesetzt hat und von denen soeben eine große Anzahl Opfer eines Massakers des islamischen Staates geworden sind. Wieso wird gegen diese Gruppierung ein Bombenkrieg geführt mit dem eine große Anzahl ziviler Opfer und eine weitere Radikalisierung in Kauf genommen werden?
Tatsächlich betreiben die USA im Jemen eine Politik, die droht, al-Qaida, aber auch den islamischen Staat (ISIS), zu fördern. Damit riskiert die USA ausgerechnet das Wachstum derjenigen Kraft, die den 11. September verursachte und gegen die die USA einstmals den Krieg gegen den Terror erklärte. Dies Verhalten mag irrational erscheinen, war und ist aber bereits in der US-Politik gegenüber Libyen und Syrien sichtbar geworden:
Der Aufstieg des islamischen Staates in Syrien und Irak und der anhaltende Aufschwung der al Nusra Front als offizieller Vertreterin der al Qaida in Syrien wären ohne den Krieg gegen Gaddafi und die Unterstützung des bewaffneten Kampfes gegen das Assad Regime nicht denkbar gewesen. In Syrien entschieden sich die USA dabei dezidiert gegen die im National Coordination Committee for Democratic Change zusammengeschlossenen Oppositionsparteien, die für einen friedlichen und nicht gewalttätigen Widerstand gegen Assad eintraten und weiterhin eintreten. Stattdessen wurde gemeinsam mit Saudi-Arabien ein bewaffneter Kampf finanziell und militärisch gefördert und ermöglicht, der zu einer Gesamteskalation mit mehr als 200000 Toten, Millionen Vertriebenen sowie zum Erstarken von islamischen Staat (ISISI) und al-Qaida geführt hat.
Drei Aspekte dürften dafür verantwortlich sein, warum sich die USA entschieden haben, die militärische Aggression Saudi-Arabiens im Jemen zu unterstützen:
- Yemen liegt an einer internationalen Schiffsroute für den globalen Öltransport von immenser Bedeutsamkeit (siehe hier). Nahezu alle Ölexorte der OPEC Länder passieren durch eine schmale Stelle des roten Meeres zwischen den Häfen Aden im Jemen und Djibouti. Eine Blockade dieser Schiffroute könnte globale kritische Auswirkungen haben und würde dadurch auch die Interessen der USA berühren. Eine Kontrolle dieser Schifffahrtspassage durch ein durch die Huthie regiertes Jemen könnte, wenn diese tatsächlich ein engeres Bündnis mit dem Iran suchen sollten, den Einfluss des Iran in der Region und international erhöhen. Die USA möchten durch die Wiedereinsetzung von Abd Rabbuh Mansur al-Hadi, dessen Sprung in das Präsidentenamt sie einstmals zusammen mit Saudi-Arabien durch eine pseudodemokratische Wahl maßgeblich mit durchsetzten, sich ihren Zugriff auf diese wichtige Schiffroute für den Öltransport sichern.
- So ambivalent das Verhalten des Vorgänger-Präsidenten Saleh auch gewesen ist, so erlaubte er der USA die Drohneneinsätze gegen al-Qaida, in deren Folge bisher eine große Anzahl an Zivilisten zu Tode gekommen ist. Sein Nachfolger Hadi war der Garant dafür, dass die USA weiterhin freie Hand für dronenbasierten Exekutionen im Jemen erhielten. Demgegenüber wäre eine solche Erlaubnis oder Duldung durch eine stark von den Huthie geprägten Regierung,selbst wenn Anhänger Sales beteiligt wären, kaum erhältlich, zumal die Drohnenangriffe aufgrund der durch sie ausgehenden ständigen Lebensbedrohungen bei der Bevölkerung des Jemens ausgesprochen unbeliebt sind. Vermutlich sehen sich die USA nur über eine Wiedereinsetzung Hadis dazu in der Lage, ihre Drohnenpolitik in der bisherigen Form fortsetzen zu können. Indirekt deuten die Äußerungen von US-Verteidigungsminister auf diese Erklärung hin, indem er darauf hinweist, dass der Krieg gegen den Terror besser mit einer stabilen Regierung geführt werden könne. Die USA erstreben sich für den Jemen vor allem eine stabile Regierung, wobei diese Regierung freilich so zusammen gesetzt sein muss, dass sie die Art des US-Anti-Terrorkrieges mit Drohnen unterstützt oder mindestens duldet. Die Gewähr hierfür sehen die USA nicht in den Huthies, sondern in der Präsidentschaft von Hadi, der durchaus als ein Staatshalter des Bündnisses zwischen den USA und Saudi-Arabien im Jemen betrachtet werden kann.
- Die USA möchte das Bündnis mit Saudi-Arabien weiter stabilisieren, welches seit der sowjetischen Invasion in Afghanistan immer fester geworden ist und welches alle Ereignisse der Zeit überdauert hat (siehe hier den vorherigen Artikel auf menschenrechte.eu zum Bündnis zwischen den USA und Saudi-Arabien). Die USA unterstützen Saudi-Arabien wahrscheinlich auch als Beweis ihrer eigenen Bündnistreue gegenüber der Saud-Dynastie. Es handelt sich nicht um eine Liebesheirat, aber um ein Zweckbündnis, welches sich seitens der USA mit dem Status Saudi-Arabiens als Land mit den weltweit größten Ölfördermengen begründet. Seitens Saudi-Arabiens geht es um die Garantie seiner Sicherheit und die Fortdauer der Saud-Dynastie. Das Öl wird dabei letztlich zum Voreil beider Seiten gemeinsam ausgebeutet, wenn auch auf dem Rücken vieler anderer Länder und Völker und nicht zuletzt auf den Rücken der Millionen Fremdarbeiter aus der dritten Welt, die in Saudi-Arabien bar aller Rechte und oft wie Leibeigene schuften, um zu überleben. Saudi-Arabien als muslimischer Gottesstaat schweigt zu den Drohnenangriffen der USA, die bereits tausende unschuldige Muslime töteten, und es schweigt zu Abu Graibh, Baghram oder Guantanamo, wo Muslime unter entwürdigenden Bedingungen interniert, gefoltert oder sogar getötet wurden. Im Gegenzug schweigen die USA zu der Sachlage, dass die saudische Dynastie diktatorisch regiert und allen Dissens gewalttätig niederschlägt. Weitgehend geschwiegen wird ebenfalls zu Exekutionen und Enthauptungen auf offener Straße, die auch angebliche Hexen und Zauberer, Abtrünnige vom Islam und alle, die den Islam beleidigen, betreffen. Die USA (und die westliche Staatengemeinschaft im Allgemeinen) scheinen froh zu sein, auf die Saud-Dynastie in Saudi Arabien als Garant für Stabilität und regelmäßigen Ölfluss setzen zu können und nehmen dafür schwere Menschenrechtsverletzungen der Saud-Dynastie hin, dulden es sogar, dass Saudi Arabien keine Kosten scheut, um die radikal-fundamentalistische wahhabitische Version des sunnitischen Islam weltweit zu verbreiten. Wohl auch für die Absicherung dieses Bündnisses akzeptieren die USA im Jemen den Tod unzähliger Menschen und das Risiko einer humanitären Katastrophe.
Insgesamt scheinen die Überlegungen der USA zu beinhalten, dass es durch einen durch Saudi-Arabien angeführten Krieg gelingen könnte zu einer insofern stabilen und den USA wohlgesinnten Regierung zu gelangen, als dass mindestens der Zugriff auf die Öl-Schifffahrtsroute gesichert werden kann, kein wachsender Einfluss des Iran entsteht und die Drohnenangriffe im Jemen unverändert fortgesetzt werden können. Vermutlich wollen die USA im Anschluss den durch den Krieg gewachsenen Einfluss von al-Qaida wieder zurückdrängen. Die USA gehen also offenbar davon aus, dass sie die Nachkriegsordnung im Jemen gemeinsam mit ihrem Bündnispartner Saudi-Arabien weitgehend bestimmen werden können.
Allerdings erwiesen sich ähnliche Einschätzungen bezüglich Libyen und Syrien in der Vergangenheit als falsch, wobei aus dem dortigen direkten oder indirekten militärischen Engagement der USA letztlich lediglich radikalste Islamisten vom Status al-Qaida und ISIS Gewinn ziehen konnten. Die betreffenden Völker wurden ins Elend gestürzt, ihre gesellschaftliche Struktur ist heute zerstört und eine bereits zuvor fraglos hochgradig bedrückende Menschenrechtslage wurde in ein Inferno von Menschenrechtsverletzungen aller Seiten verwandelt (siehe hier Artikel zu Libyen und hier zu Syrien).
Wie wird der Krieg ausgehen?
Die Situation im Jemen ist kompliziert und Entwicklungen sind schwer vorhersehbar. Sollte es Saudi-Arabien mit Unterstützung der USA und der westlichen Staatengemeinschaft gelingen, die Huthis erneut zurückzudrängen und gegen sie eine den USA und Saudi-Arabien genehme Regierung in Jemen zu installieren, könnte deren Regierungsgewalt nur durch massive Repression aufrechterhalten werden. Schwere Menschenrechtsverletzungen und ein mindestens latenter dauerhafter Bürgerkrieg wären die zu erwartenden Konsequenzen. Möglicherweise kommt es aber auch zu einer Verhandlungslösung. Eine solche wäre denkbar, wenn die Krieg führende Allianz entweder das Land zum Zusammenbruch brächte und dann die Verhandlungsergebnisse diktieren könnte oder aber wenn weitreichende Zugeständnisse an die Huthis gemacht werden würden, die immerhin für einen starken Teil der Gesamtbevölkerung stehen. Vorstellbar ist aber ebenfalls ein libysches und syrisches Szenarium. Der durch Saudi-Arabien gemeinsam mit einem bizarren Militärbündnis von Unrechtsstaaten und den USA beschrittene Weg in die militärische Eskalation könnte dann erneut ein bereits zuvor bedenklich instabiles Land weiter destabilisieren und eine Explosion der Gewalt auslösen. Hauptprofiteure hiervon könnten am Ende radikalste Kräfte um al-Qaida und den islamischen Staat sein.
Sicher ist, dass Menschen im Jemen durch die Bomben getroffen werden. Leidtragende der militärischen Eskalation sind zuallererst die Menschen im Jemen, die als Schachfiguren für strategische Überlegungen durch andere Länder missbraucht werden und deren Recht auf Leben skrupellos missachtet wird. Ihr Leid ist den internationalen Medien bisher kaum Schlagzeilen wert. Der Bombenkrieg in Jemen ist ein organisierter Wahnsinn und ein Krieg gegen die Menschenrechte.
Verfasser. Dr. Guido F. Gebauer
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Kommentar von Thomas Geisler |
Wer hat diesen Artikel verfasst, und wo ist er erschienen?
Die Details sind sehr interessant und bestätigen meine Informationen. Das Schema der Geschehnisse ist alt. Entscheidend ist, dass die Teilnehmer der eskalierten Konflikte sich von den außenstehenden Kriegsstrategen aufhetzen ließen.
Kommentar von don quijote |
A lucid analysis. We are witnessing ongoing acts of madness from two powers which are, despite their military count-down, two fundamentally weak powers, ie. S-Arabia and the United Stakes of America.