US-Gutachten bedroht Parlamentarier mit Strafverfolgung
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Ein denkwürdiger Vorgang, über den soeben Spiegel-Online berichtet:
"Über die Deutsche Botschaft in Washington gelangte da ein Gutachten der renommierten US-Kanzlei "Rubin, Winston, Diercks, Harris & Cooke" nach Berlin. Für Merkels Regierung kam das 12-seitige Schreiben wie gerufen. Die Große Koalition hat keinerlei Interesse, dem Auslöser der NSA-Affäre, Edward Snowden, übergroße Aufmerksamkeit zu verschaffen oder ihn gar einreisen zu lassen. Das Papier aus Washington liefert dafür weitere Argumente. Es warnt die deutschen Mitglieder des NSA-Untersuchungsausschusses nämlich unverhohlen davor, sich durch eine Befragung Snowdens womöglich strafbar zu machen.
Die Expertise des US-Anwalts Jeffrey Harris, die dem SPIEGEL vorliegt, ist Teil einer Stellungnahme der Bundesregierung, die dem Ausschuss offiziell erst am morgigen Freitag zugehen sollte - am Mittwoch aber bereits durchsickerte. ... Es sei bereits eine "strafbare Handlung", so der US-Jurist, wenn der "Haupttäter" (gemeint ist Snowden, Anm. Redaktion) etwa durch deutsche Parlamentarier veranlasst werde, geheime Informationen preiszugeben. Gegebenenfalls könne das als "Diebstahl staatlichen Eigentums" gewertet werden. Je nach Faktenlagen könnten Strafverfolger gar von einer "Verschwörung" (conspiracy) ausgehen. ...In ihrem Gutachten bauen die Juristen darüber hinaus eine Drohkulisse auf. Die deutschen Abgeordneten könnten sich demnach nicht mehr sicher sein, ob sie bei der nächsten US-Reise nicht vieleicht in Haft genommen werden. Die Immunität der Bundestagsabgeordneten werde möglicherweise in den USA anerkannt. Die Vereinigten Staaten seien aber nicht dazu verpflichtet."
Deutlich wird die kompromisslose Entschlossenheit, alles mögliche zu tun, um eine Aufklärung der durch den Whistleblower Snowden öffentlich gemachten weltweiten Überwachung zu verhindern. Dass diese Position bei der Bundesregierung auf fruchtbaren Boden stößt, verdeutlich darüber hinaus, dass diese sich nicht als Interessenvertreterin der Bevölkerung positioniert, sondern gemeinsame Sache mit den USA bei der Verdeckung der Überwachung macht. Damit trägt sie gleichzeitig dazu bei, dass die illegale Überwachung fortdauert, was einer Aushebelung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gleichkommt.
Zu vermuten ist, dass dies Rechtsgutachten in Absprache zwischen den Regierungen der USA und der Bundesrepublik Deutschland zustande gekommen ist, um einen Vorwand für die Sabotierung der Vernehmung von Edward Snowden durch den NSA-Untersuchungsausschuss zu schaffen. Das ausgerechnet derjenige Zeuge, der die Inhalte, um die es dem Untersuchungsausschuss geht, aufgedeckt hat, nicht vernommen werden soll, ist eine Verspottung der parlamentarische Kontrollfunktion und der Institution des Untersuchungsausschusses.
Die Bemühungen der Bundesregierung, eine Aufklärung der durch die NSA begangenen Straftaten und eine Beendigung ihrer illegalen Überwachung zu verhindern, sind offensichtlich. Erklärbar dürften diese Bemühungen vorwiegend durch die Annahme sein, dass die Bundesrepublik sich selbst an illegalen Überwachungsmaßnahmen beteiligte oder diese duldete. Möglicherweise erleben sich aber auch bereits die einzelnen Akteure im Parlament aufgrund vermuteter Datensammlungen über sie als erpressbar, so dass ihre Unabhängigkeit nicht mehr gewährleistet ist. Die Überwachung durch NSA und Co ist insofern dabei, Rechtsstaatlichkeit und die parlamentarische Demokratie aus den Angeln zu heben.
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