Hauptseite > Meldung, komplett

Mäßigung im Ukraine-Konflikt oder nur Verschnaufpause?

(Kommentare: 0)

Schrittweise haben sich Berichterstattung und Diskussion über die Ukraine geändert. Standen am Anfang makellose Helden gegen Soldaten eines autokratischen und homophoben Putins, dämmert es allen Beteiligten an der Diskussion langsam, dass die Sachlage eine ganz andere ist, dass wir es hier mit einem tiefgreifenden innerukrainischen Konflikt zu tun haben.

 

Auch der erhobene Zeigefinger auf Russland hat sich, wenn wir die ukrainische Regierung selbst und auch die USA ausnehmen, abgesenkt.  Es erreicht mittlerweile doch die öffentliche Diskussion, dass nicht nur Russland Interessen in der Ukraine hat, sondern dass dies ebenso für die USA und die westlichen Staaten gilt. Dass der Sohn des Vizepräsidenten der USA eine führende Rolle in eben dem ukrainischen Gasunternehmen eingenommen hat, welches Gas im Osten der Ukraine erschließen möchte, dass auch ein Verwandter des US Außenminister Kerry mit von der Partie ist – nur wenige sind so naiv, zu glauben, dass dies nichts und rein gar nichts mit der US Politik gegenüber der Ukraine zu tun hätte. Auch der Besuch des CIA Direktors in Kiew, die Ausweisung eines russischen Diplomaten, der über die Zusammenarbeit zwischen NATO und Kiew bei der Aufstandsbekämpfung spioniert habe, sowie die Berichte über eine Beteiligung der US Sicherheitsfirma Academi, Nachfolgerin des berüchtigten Blackwater-Unternehmens, erreichen verstärkt die öffentliche Diskussion. Die Ereignisse machen erkennbar, dass der innerukrainische Konflikt gleichzeitig ein Stellvertreterkonflikt zwischen den USA und Russland ist. 

 

Dass es um Freiheit, Menschenrechte, Demokratie geht – dies glauben immer weniger Menschen und es wird auch, anders als zuvor, in den Medien, von FAZ bis TAZ, kaum noch behauptet. Die Fronten zwischen den Staaten sind zwar nach wie vor klar, aber dennoch ist allein durch das Eingeständnis, dass es einen innerukrainischen Konflikt, bei dem externe Staaten ihre Interessen einbringen, überhaupt gibt, bereits ein Fortschritt eingetreten.

 

Es rufen mittlerweile alle Seiten zu Verhandlungen und friedlicher Konfliktlösung auf. Schon findet ein runder Tisch statt, dessen Manko freilich ist, dass ausgerechnet der tatsächliche Konfliktgegner durch die Regierung in Kiew nicht eingeladen wurde. Sie möchte nicht mit Menschen verhandeln, die Blut an den Fingern hätten. Dies äußert eine Regierung, die durch einen sogenannten Anti-Terrorkampf den Tod unzähliger Menschen, einschließlich von Zivilisten, verursachte und die mit zu einer Eskalation beigetragen hat, die den Flammentod von Odessa erst möglich machte. Ebenso bedauerlich ist es, dass 

 

Doch der Extremismus der Regierung in Kiew scheint außenpolitisch seine Verbündeten zu verlieren. So hat sich seit einigen Wochen beispielsweise der Ton der Bundesregierung deutlich gemäßigt und sie scheint nunmehr Wert darauf zu legen, als Vermittlerin und weniger als Parteigängerin der Regierung in Kiew angesehen zu werden. Sicherlich hat diese Bundesregierung anfangs zur Konflikteskalation beigetragen. Wie alle verbündeten westlichen Staaten blendete sie die Interessen der Bevölkerung der Ostukraine aus, stellte sich enthusiastisch und kritiklos an die Seite von Maidan und Regierungssturz, akzeptierte die Beteiligung von Rechtsradikalen an der neuen Regierung und beteiligte sich mit den unsinnigen und schädlichen Sanktionen gegen Russland an der allseitigen Leugnung des innerukrainischen Konfliktes. Nunmehr scheint die Bundesregierung aber zu verstehen, dass Leugnung nicht zur Lösung führt und dass mit der Gewalt von Panzern und Maschinengewehren die Ukraine nicht zu befrieden ist. Ähnlich äußert sich die OSZE, die es für einen Irrtum hält, dass der Schlüssel zur Lösung des Konfliktes in Russland liege.

 

Abzuwarten bleibt, ob der derzeit beobachtbare Prozess  von Mäßigung und Realitätsbewusstsein sich fortsetzt, sich auch auf die USA ausweitet und selbst dann erhalten bleiben wird, wenn die für den 25. Mai 2014 - wohl nicht zufällig zeitgleich mit den Europawahlen - angesetzten Wahlen innerhalb der Ukraine stattgefunden haben sollten.

 

Ziel dieser Wahlen - daran gibt es keinen Zweifel - ist die Legitimierung einer prowestlichen neuen Regierung. Das Problem hinter dieser Haltung ist aber, dass ein erheblicher Anteil der Menschen in der Ostukraine seit dem Regierungssturz die veränderten Verhältnisse nicht mehr anerkennt. Diese Menschen werden ihren Widerstand auch dann nicht aufgeben, wenn sie durch die Menschen in der Westukraine überstimmt werden sollten. Viel relevanter als die Gesamtstimmenzahl in der West- und Ostukraine zusammen, ist für die Konfliktdynamik die Anzahl der Stimmen für die neue Regierung in den östlichen Gebieten, in denen gegen sie Widerstand geleistet wird. Absehbar ist allerdings bereits, dass in diesen Gebieten, selbst wenn die Wahlen dort stattfinden sollten, die Stimmenanzahl für die Regierung minimal bleiben wird.

 

Vor dem Hintergrund dieser Situation ist es derzeit schwer abschätzbar, ob die Zunahme der sich mäßigenden Stimmen tatsächlich auf eine überdauernde Kompromiss- und Friedensbereitschaft hindeutet, oder ob so lediglich die Abhaltung der Wahlen ermöglicht werden soll, um danach mit einem scheinbar gestärktem Mandat den sogenannten Anti-Terrorkampf, der in Wirklichkeit ein Krieg gegen einen Teil der eigenen Bevölkerung ist, umso entschlossener fortzusetzen.

 

Mäßigung ist selbstverständlich auch von Seiten der "Separatisten" zu fordern. So will die die selbsternannte "Donezker Volksrepublik" derzeit nur mit der Regierung verhandeln, wenn diese vorher ihre Truppen abzieht. Mit "Okkupanten" spreche man nicht. Immerhin lassen die "Separatisten" Verhandlungsbereitschaft erkennen, nur verkennen sie den Zeitpunkt, ab dem Verhandlungen notwendig sind, der längst erreicht bzw. überschritten und sicherlich nicht mehr aufschiebbar ist. Das Aufschieben von Verhandlungen ist ein Denkfehler, der Menschenleben kosten kann. Denn während ein Abzug des Militärs in der Tat zu fordern ist, sollte dies keine Vorbedingung, sondern Ergebnis von Verhandlungen sein. 

 

Für die Menschen in der Ukraine ist zu hoffen, dass die, trotz fortgesetzte militärischer Aktionen, erkennbare Mäßigung sich nach den Wahlen nicht in Luft auflösen, sondern konkrete Gestalt annehmen wird. Sollte dies der Fall sein, führt kein Weg vorbei an direkten Verhandlungen zwischen der Regierung in Kiew und ihren Gegnern im Osten und Südosten des Landes. 

Zurück

Einen Kommentar schreiben