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Wir sollten uns schämen: Libanon nimmt 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien auf

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Nach Angaben der Vereinten Nationen werden im Libanon bald 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien leben. Die Gesamtbevölkerung des Libanon beträgt 4 Millionen.

 

Im Ergebnis hat sich die Arbeitslosenrate bereits auf über 20% verdoppelt, das Wachstum ist um 2% gefallen. Die international bereit gestellten Gelder reichen nicht, um die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen und die Folgen für das Land auszugleichen. Westliche Staaten - auch die Bundesrepublik Deutschland – sind nicht bereit, einen signifikanten Anteil der Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen.

 

Dieser Zustand widerlegt die Menschenrechts-Rhetorik der westlichen Staaten:

 

Die westlichen Staaten und allen voran die USA haben nicht gezögert, in Syrien einen bewaffneten Kampf zu unterstützen und ihn in seinem Ausmaß durch ihre direkte finanzielle und propagandistische Unterstützung erst möglich zu machen.  Sie arbeiteten dabei auf das Engste zusammen mit Saudi Arabien, einem Königreich, in dem es keine Meinungsfreiheit gibt, in dem strikte religiöse Gesetze herrschen, die Ungleichheit der Geschlechter festgeschrieben ist und Homosexualität mit barbarischen Strafen sanktioniert wird. Ausgegrenzt und marginalisiert wurden diejenigen Teile der Opposition gegen das fraglos schwerste Menschenrechtsverletzungen begehende Assad-Regime, die einen bewaffneten Kampf wegen seiner zerstörerischen Folgen für die Bevölkerung des Landes ablehnten. Dies betrifft insbesondere das "National Coordination Committee for Democratic Change" (NCC). Viele der Mitglieder des NCC haben die Gefängnisse des Assad-Regimes bereits als Insassen kennen gelernt. Sie setzen sich mit friedlichen Mitteln und unter bewusster Zurückweisung der militärischen Logik der Gewalt für ein demokratisches Syrien mit einer wechselseitigen Akzeptanz der verschiedenen Volksgruppen und Religionen ein. Anstatt sich an Gruppen, wie dem NNC, zu orientieren und diese zu fördern, haben sich die westlichen Staaten für die kriegerische Eskalation entschieden

 

Alle Warnungen von Experten wie auch des NCC, dass eine solche militärische Eskalation zu einer Menschenrechtskatastrophe führen, Religions- und Völkerhass verstärken und radikal islamistischen Bewegungen Auftrieb geben könnte, wurden durch die USA und die anderen westlichen Staaten konsequent ignoriert (ausführliche Analyse zum Syrien-Konflikt hier).

 

Die westliche Politik bahnte so den Weg zu hunderttausenden Toten und Millionen Vertriebenen, für deren menschenwürdige Versorgung und die Bereitstellung von Zukunftsperspektiven sie allerdings nicht einstehen will. Diese Anforderung wird vielmehr u.a. dem angeschlagenen Libanon aufgebürdet, der hiermit überfordert ist.  

 

Die westliche Politik räumte auch den Weg frei für die Terrororganisation Islamic State of Iraq and the Levant  (ISIL oder ISIS, Levant = Syrien), die nunmehr Teile Syriens und des Irak beherrscht und diese mit Massenexekutionen bis hin zu Kreuzigungen überzieht.

 

Die westliche Politik mündete -  eine Groteske, die aus einem Theaterstück stammen könnte - in einer de facto Zusammenarbeit der  US-Regierung und anderer westlicher Staaten mit Al Quaida, der Urheberin des September 2011. Denn an der Seite der westlichen Hoffnung in Syrien, der Syrian Revolutionary Front (SRF) unter Jamal Maarouf, kämpft als die offizielle Al Quaida Repräsentatin in Syrien die al-Nusra-Front (siehe Interview im Independent). Die USA und die Bin Laden Organisation durch einen gemeinsamen Bündnispartner vereint, wer hätte dies noch vor Kurzem zu denken gewagt? 

 

Während der Libanon bald eine Flüchtlingszahl aufgenommen haben wird, die mehr als einem Drittel der libanesischen Bevölkerung entspricht, dominiert in den westlichen Staaten und auch in der Bundesrepublik Deutschland im Umgang mit Flüchtlingen eine herzlose Bürokratie, die Menschen gnadenlos in den Tod schiebt. Asylanträge von Menschen, die aus wahren Horrorländern der Menschenrechte kommen, werden hiesigerseits mehrheitlich abgelehnt.

 

"Wir können nicht die Probleme aller anderen Länder lösen", sagen diejenigen, die in Syrien den Weg in die kriegerische Eskalation erst angestoßen und ermöglicht haben und die zuvor die Gesellschaften im Irak und in Libyen in Schutt und Asche legten. 

 

Die Verursacher dieser Tragödien für die betroffenen Völker sind sich keiner Schuld bewusst. Eine merkwürdige Koalition von rechts bis links ist entstanden, die den Sturz menschenrechtsverletzender oder missliebiger Regime durch kriegerische Mittel postuliert.

 

Die Koalition der Kriegsbefürworter reicht von Bush zu Obama, von Sarkozy zu Hollande, von Blair zu Cameron, und hier in der Bundesrepublik Deutschland von CDU/CSU bis hin zu den Grünen, die sogar eifriger als die meisten anderen Parteien zum Mittel des Krieges greifen wollen. Menschenrechtskrieger sind die geworden, die früher noch Schwerter zu Pflugscharen verwanden wollten.

 

Denkwürdig für diese historische Entwicklung ist die Stellungnahme von Marieluise Beck von Bündnis90/die Grünen zum NATO-Einsatz in Libyen:

 

" Ich bin erleichtert, dass die Weltgemeinschaft aus der Geschichte von Ruanda und Srebrenica gelernt hat und ihre Schutzverantwortung im Falle von Verbrechen gegen die Menschlichkeit wahrnimmt. Selbst Länder wie Russland und China stellten sich dem nicht mehr entgegen. Damit folgen die Vereinten Nationen ihrem eigentlichen Gründungskonsens, nämlich der Schutzverantwortung für bedrohte Völker als Lehren des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. "

 

Wo sie Verwüstung stiften, nennen sie es Menschenrechte. So abgewandelt, trifft das Tacitus-Zitat den Kern der Argumentation von Marieluise Beck. Denn das libysche Volk hat keinen Anlass, die Erleichterung von Marieluise Beck zu teilen. Es steht heute da bar des grundlegensten Menschenrechtes überhaupt, des Rechtes auf ein Leben ohne permanente Angst vor Verschleppung, Folter und Tod bei täglichen Routineangelegenheiten. An jeder Ecke müssen die Menschen in Libyen heute damit rechnen, durch Milizen festgehalten zu werden und zu verschwinden. Misshandlungen und Folter bis zum Tod sind an der Tagesordnung. Kriminelle und islamistische Milizen haben die Kontrolle übernommen. Wer im Wege steht, wird aus dem Weg geräumt.

 

Das Verbrechen gegen die Stadt Tawergha, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, bleibt nicht nur ungesühnt, sondern setzt sich täglich fort. Ein Inferno von Menschenrechtsverletzungen ist in Libyen durch eine Politik entstanden, die Marieluise Beck gemeinsam mit anderen Vertretern der scheinbaren Durchsetzung von Menschenrechten durch Krieg und in völliger Verkennung der Tatsachen und Ausblendung der Opfer als Konsequenz aus dem Holocaust ableiten möchte. Die ausgelöschte Stadt Tawergha wartet derweil weiterhin auf ihren Besuch, aber Marieluise Beck hat sich längst anderen Themen zugewandt und die Menschen in Libyen ihrem Schicksal überlassen.

 

Die westlichen Staaten vervielfachen weltweit durch ihre Politik die Fluchtursachen und perfektionieren gleichzeitig ihre Abschottung. Der Libanon aber nimmt eine Flüchtlingsanzahl aus Syrien auf, die mehr als einem Drittel der Gesamtbevölkerung des Landes entspricht.

 

Wir haben allen Grund, uns zu schämen, Bürger der Bundesrepublik Deutschland, Großbritanniens, Frankreichs, der USA, oder eines anderen EU- oder NATO-Landes zu sein!

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