Amoklauf in Mittelfranken: Entwaffnung jetzt!
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Welche Schlussfolgerungen sollen aus den Amokläufen mit Sportwaffen gezogen werden?
Erfurt, Winnenden, Emsdetten, Lörrach, jetzt Leutershausen in Mittelfranken - immer wieder töten Amokläufer mit Sportwaffen. Eine landesweite Entwaffnung ist aus Sichtweise des Verfassers überfällig.
Es gibt ungefähr 2 Millionen Sportschützen in der Bundesrepublik Deutschland, die wiederum ungefähr 6 Millionen Schusswaffen besitzen. Bereits diese Zahlen machen deutlich:
Die überwältigende Mehrheit der Sportschützen geht offenbar ordnungsgemäß mit ihren Waffen um, begeht jedenfalls kein Tötungsdelikt. Statistisch betrachtet, wird fast kein Sportschütze zum Amokläufer.
Aber es gibt auch eine andere Betrachtungsweise:
Fast alle Amokläufer der letzten Jahrzehnte in der Bundesrepublik Deutschland waren Sportschützen oder deren nächste Angehörige.
Sachlage ist, dass eine kleine Minderheit von Sportschützen oder deren Angehörigen immer wieder die leichte Verfügbarkeit der Schusswaffen für schwerwiegende Straftaten und auch für Amokläufe nutzt. 159 Tote zählte die Internetseite sportmordwaffen.de von 1991 bis zum Juni 2015, nunmehr ist deren Zahl weiter gestiegen. Höher wäre die Totenzahl zudem, wenn auch Suizide mit eingerechnet würden.
Freilich wird die große Mehrheit der Tötungsdelike durch Einsatz erlaubnispflichtiger Schusswaffen nicht mit legalen, sondern mit illegalen Waffen begangen. Aber dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch aus dem tödlichen Einsatz von legalen Sportwaffen immer wieder Tragödien resultieren, die Menschen das Leben nehmen und Angehörige fassungslos und traumatisiert zurücklassen.
Deutschland rühmt sich eines vergleichsweise restriktiven Waffenrechts. In der Tat herrschen hier andere Verhältnisse als in den USA, dem Kernland des Waffenfetischismus, in dem ein oberster Gerichtshof das Recht zum Waffenbesitz als Menschenrecht versteht und in dem es so viele Morde, Suizide und Amokläufe mit legalen Schusswaffen gibt wie in keinem anderen Land der Welt.
Doch weil in der Bundesrepublik Deutschland ein weitaus restriktiveres Waffenrecht herrscht als in den USA, bedeutet dies nicht, dass kein Handlungsbedarf bestünde - es sei denn die Gesellschaft wäre bereit, dauerhaft die Todesfälle durch Amokläufe, Morde und Suizide mit Sportwaffen als Kollateralschaden hinzunehmen.
Unstrittig ist, dass die Anzahl verfügbarer Schusswaffen in einem Land oder einer Region eng mit der Anzahl von Tötungsdelikten und Suiziden durch Schusswaffen verbunden ist. Je mehr Schusswaffen verfügbar sind, desto mehr Todesfälle und auch desto mehr Todesfälle durch Schusswaffen sind zu verzeichnen.
Die sozialpsychologische Forschung liefert überzeugende Hinweise dafür, dass eine erhöhte Verfügbarkeit von Schusswaffen ursächlich zu einer erhöhten Anzahl an Tötungsdelikten und Suiziden führt. So konnten Laboruntersuchungen aufzeigen, dass allein die Anwesenheit von Schusswaffen in einem Raum das Aggressionsniveau der Anwesenden erhöht – diese Beobachtung ist als Waffeneffekt bekannt. Demnach sind Waffen mit Aggressionen assoziiert und bereits ihre bloße Anwesenheit kann als Auslöser für Aggressivität fungieren. Im EInzelfall kann es also brandgefährlich sein, wenn zu einem Konflikt auch noch die Verfügbarkeit einer Schusswaffe hinzukommt.
Aber Schusswaffen lösen nicht nur Aggressionen aus, sondern sie schaffen vorallem auch die Gelegenheit für ihren tödlichen Einsatz. Ein sehr wütender und vielleicht auch verzweifelter Mensch mag eine vor ihm liegende Schusswaffe spontan einsetzen, obgleich er vermutlich keine Schusswaffe einsetzen würde, wenn er sich zunächst erst eine illegale Schusswaffe besorgen müsste. Es gibt Faktoren, die Handlungen erleichtern und es gibt Faktoren, die Handlungen hemmen. Je einfacher durchführbar eine Handlung ist, desto eher wird sie auch ausgeführt werden. Dies gilt für alles Verhalten, auch für das Erschießen eines Menschen oder einen Amoklauf.
Nicht Schusswaffen töten, sondern Menschen – dies ist in den USA wie auch bei uns eines der Hauptargumente gegen weitere Verschärfungen des Waffenrechts. Dass nicht Schusswaffen selbst, sondern Menschen durch Waffen töten ist aber Tatsache und Trivialität zugleich. Wenn wir Menschen Schusswaffen leicht verfügbar machen, werden mehr Menschen durch Waffen töten. Dieser Sachverhalt wird von der Waffenlobby und auch von den Sportschützen verkannt oder aus der Diskussion ausgeblendet.
Sport sei ein Menschenrecht und die sportliche Betätigung von zwei Millionen Menschen dürfe nicht wegen einiger weniger Einzeltäter eingeschränkt werden, ist ein weiteres Argument, welches von den Sportschützen vorgebracht wird. Diese Argumentation verweist auf den wahren Kern, dass nämlich absolute Sicherheit niemals herstellbar sein wird. Mit allen unseren Handlungen sind Risiken verbunden. Wollten wir absolute Sicherheit, dürften wir uns überhaupt nicht mehr verhalten, was unmöglich ist.
Wie schwer aber wiegen die vergangenen und künftigen Toten gegenüber dem beanspruchten Recht der Sportschützen, potentiell tödliche Schusswaffen zu besitzen und mit ihnen zu schießen? Ist es überhaupt sinnvoll und zeitgemäß, einen Sport mit potentiell tödlichen Schusswaffen zu betreiben? Wäre es nicht angebrachter, Sport von tödlichen Waffen zu trennen und den Menschen andere sportliche Möglichkeiten als den Einsatz von Schusswaffen zur Verfügung zu stellen?
Die Sportschützenverbände vermeiden bisher die Auseinandersetzung mit diesen Fragen, deren Beantwortung aber entscheidend dafür sein wird, wie wir künftig als Gesellschaft mit tödlichen Schusswaffen umgehen werden und wie wir das Waffenrecht gestalten wollen.
Sportschützen verhalten sich in großer, sogar in überwältigender Mehrheit rechtskonform, aber die Verfügbarkeit von Sportwaffen führt dennoch zu sich immer wiederholenden schwersten Straftaten und Tragödien. Wenn eine Gesellschaft das Leben ihrer Mitglieder schützen und Aggressionen und Gewalt soweit als möglich vermindern möchte, muss sie - dies zeigen auch die Befunde der Sozialpsychologie - Schusswaffen im größtmöglichen Ausmaß aus ihren Reihen verbannen. Wenn Konsens darüber herrscht, dass das Leben von Menschen wichtiger ist als das Vergnügen am Schießen, darf es nicht weiterhin hingenommen werden, dass eine Sportart zur Massenverbreitung potentiell tödlicher Schusswaffen führt. Dies gilt im übrigen nicht nur für das Sportschießen, sondern auch für die Jagd.
Die Tragödie von Leutershausen macht erneut deutlich, dass der Schießsport ein zu überwindender Anachronismus ist. So bitter dies auch für die Sportschützen sein mag, eine Entwaffnung ist überfällig!
Verfasser: Guido F. Gebauer
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