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Sexualstraftaten in Köln: Fremdenfeinde lenken von Allgegenwärtigkeit sexueller Gewalt ab

(Kommentare: 7)

Vor dem Kölner Hauptbahnhof wurden Frauen offenbar systematisch von betrunkenen Männern sexuell belästigt und angegriffen. Diese Männer gehörten zu einer ca. 1000 Menschen umfassenden Menge, die - wohl großteils betrunken – vor dem Hauptbahnhof Silvester feierte. Unter ihnen waren Verbrecher, die andere Menschen ausraubten, bestahlen und sexuelle Übergriffe verübten. Nach Medienberichten hat mindestens eine Vergewaltigung stattgefunden und es liegen insgesamt ca. 90 Anzeigen vor, von denen sich ein Teil auf sexuelle Übergrifflichkeiten bezogen. Die Polizei war während der Übergriffe präsent, scheint aber von diesen im wesentlichen nichts mitbekommen zu haben, jedenfalls sprach sie in einer Presseerklärung von im wesentlichen friedlichen Feiern. Nunmehr allerdings spricht sie von einer völlig neuen Qualität sexueller Übergriffe auf Frauen.

 

Die neue Qualität scheint vorwiegend darin zu bestehen, dass die Täter nach Presseberichten ein nordafrikanisches oder arabisches Aussehen hatten. Denn tatsächlich ist - auch schwere - sexuelle Gewalt bei entsprechenden formellen oder informellen Massenveranstaltungen, insbesondere wenn Alkohol im Spiel ist, ein erschreckenderweise alltägliches Phänomen. Dies scheint aber derzeit von vielen ausgeblendet zu werden, die womöglich nicht einmal mitbekommen, dass sie damit sowohl sexuelle Gewalt bagatellisieren wie Rassismus betreiben.

 

„Betrunkene entblößen sich, fassen Frauen unters Dirndl und feuern sich gegenseitig an: Im Bierzelt auf dem Oktoberfest legen manche Männer sämtliche Hemmschwellen ab. Doch die meisten Übergriffe auf Frauen werden nie geahndet.“ So schrieb die Süddeutsche 2011. Mittlerweile werden umfangreiche Präventionsmaßnahmen gegen sexuelle Übergriffe auf dem Oktoberfest ergriffen, ohne dass aber ein Abstellen sexueller Übergriffe gelungen ist. So betreute ein spezielles Beratungsteam 2013 allein 156 Opfer, wobei es eine Sachlage ist, dass sich nur eine Minderheit derjenigen, die Opfer von sexueller Anmache, Übergrifflichkeit und Gewalt werden an Beratungsstellen wenden oder Anzeige erstatten. Entsprechend befasst sich auch ein Artikel aus der Süddeutschen noch im Jahr 2015 damit, wie sexuelle Übergriffe auf dem Oktoberfest besser verhindert werden können.

 

Vom Karneval in Köln ist leider nichts besseres zu berichten. Tatsächlich grassiert dort neben sexueller Anmache und Übergrifflichkeit eine besonders perfide Form der Gewalt, bei der die Opfer zunächst mithilfe von Liquid-Extasy (Ko-Tropfen) widerstandsunfähig gemacht werden, bevor sich an ihnen vergangen wird. Der Westen.de schreibt: „Während der Karnevalstage mischen Verbrecher Partygängern Drogen in die Getränke. Sie machen die Opfer hilflos und handlungsunfähig. Nur wenige Fälle kommen tatsächlich zur Anzeige. Denn die Chemikalien sind nur für kurze Zeit im Blut oder Urin nachweisbar.“

 

Auch unter die Menge, die sich vor dem Hauptbahnhof in Köln versammelt hatte, hatten sich Verbrecher gemischt. Dennoch droht heute diesen 1000 Menschen, anders als den Besuchern des Kölner Karnevals, pauschal für die Verbrechen einzelner Personen unter ihnen verantwortlich gemacht zu werden. Dabei ist keineswegs davon auszugehen, dass ein großer Teil oder die Mehrheit der Anwesenden die Übergriffe überhaupt bemerkte, immerhin waren sie ebenso der anwesenden Polizei entgangen.

 

Derweil ergießt sich in den sozialen Netzwerken eine Flut von Hass gegen Flüchtlinge und spezifisch Muslime. Da sich die entsprechenden Kommentare nicht über vergleichbare Übergriffe von deutschen Staatsbürgern oder Nicht-Muslimen empören, entsteht der Eindruck, dass es ihnen keineswegs um den Schutz von Frauen vor sexueller Gewalt geht. Im Gegenteil, wird die Gewalt für fremdenfeindlicher Zwecke instrumentalisiert und insofern von ihr propagandistisch profitiert.

 

Gleichzeitig wird die Diskussion in eine falsche Richtung gelenkt:

 

Anstatt darüber zu diskutieren, wie noch besser Frauen (und auch Männer) vor sexueller Gewalt geschützt werden können, werden Flüchtlinge und Muslime wider alle Fakten pauschal für die Vorfälle verantwortlich gemacht. Gegenüber deutschen Touristen auf Mallorca, von denen sich einige im Alkoholrausch sexuell übergrifflich verhalten, gibt man sich da milder, man spricht einfach nicht über sie, geschweige, dass alle Deutschen für ihr Tun verantwortlich gemacht werden würden. Gleiches gilt für die zehntausenden deutschen Sextouristen in Thailand oder den Philippinen, mit denen ebenfalls nicht jeder deutsche Staatsbürger unbedingt gleichgesetzt zu werden wünscht.

 

Der Hass gegen Muslime, den nunmehr einige Kriminelle am Hauptbahnhof in Köln erzeugen konnten, ist derweil völlig unbegründet:

 

Die mutmaßlichen Täter haben am Hauptbahnhof nach den Presseberichten Alkohol konsumiert. Sie haben damit also ein einem gläubigen Muslimen streng verbotenes Verhalten nicht nur privat, sondern in aller Öffentlichkeit praktiziert. Um gläubige Muslime hat es sich hier demnach ganz offensichtlich nicht gehandelt!

 

Was also die sexuellen Übergriffe mit dem Islam zu tun haben sollen, bleibt völlig unverständlich. Aber es geht denjenigen, die jetzt ihrem Hass freien Lauf lassen, ja auch in Wirklichkeit weder um Prävention von sexueller Gewalt und Hilfe für die Opfer noch um die Realität, sondern allein darum, ihre Vorurteile zu bestätigen und sich selbst aufzuwerten, indem sie andere aufgrund ihrer Sprache, Herkunft oder Hautfarbe abwerten. Dazu missbrauchen sie auch die Opfer sexueller Gewalt.

 

Für die berichteten Delikte und die Täter gilt, dass es in der Bundesrepublik Deutschland eine hinreichende Rechtsgrundlage gibt, um Straftaten zu verfolgen. Der Anwendung der rechtsstaatlichen Mittel bedarf es auch jetzt, nicht mehr und nicht weniger. Die Hintergründe der Vorfälle sollten dabei aufgeklärt und transparent gemacht werden.

 

Derweil bleibt die Tatsache, dass es immer wieder in allen Ländern und kulturübergreifend innerhalb von Menschenmengen und insbesondere dann, wenn Alkohol eine Rolle spielt, zu sexuellen Übergriffen und Gewalt kommt, schockierend. Dass auch bei den Vorfällen in Köln diese zunächst weder von der Polizei noch anderen Mitgliedern der Menschenmenge zur Kenntnis genommen wurden, macht deutlich, dass noch sehr viel mehr Aufklärung und präventive Maßnahmen erforderlich sind, damit Menschmengen und Alkohol künftig nicht mehr systematisch als Möglichkeit, Vorwand und Rechtfertigung für sexuelle Gewalt genutzt werden können, so wie es jetzt erneut in Köln der Fall gewesen ist.

 

Was uns die Vorfälle in Köln also wirklich zeigen, ist, dass das Problem der sexuellen Gewalt akut bleibt und noch größere Anstrengungen zu Prävention und Bekämpfung unternommen werden müssen.

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Kommentar von Esther Krebs |

Danke für diesen sorgfältig geschriebenen, aufklärenden Artikel

Kommentar von andrea hammerschmidt |

es ist doch bekannt und bewiesen dass die angriffe von ausländischen männern (moslime) gemacht wurden, also warum jetzt schon wieder alles verschönigen? wieso werden diese arschlöcher schon wieder in schutz genommen? DAS KANN DOCH NICHT WAHR SEIN, ES REICHT! WIR SIND DAS VOKL!

Kommentar von don quijote |

Eine Dummheit zu anderen hinzugefügt, bereichert die Dummheit nicht. Hätte die Kommentatorin geschwiegen, dann könnte sie vielleicht als Tropfen in einer unvergiftenten Volksmasse schweben. Jedoch nur vielleicht.

Kommentar von H.Ewerth |

So eine differenzierte Berichterstattung wünschte ich mir in den Mainstream Medien. Hier in Berlin, war es einigen Blättern eine ganze erste Seite wert. Soweit sind wir in Deutschland schon wieder gekommen, oder war es noch nie weg?

Kommentar von Weltbürger |

Vor dem Gesetz sind ALLE gleich - und die Übergriffe in Köln sind genau so abscheulich wie die Grabschereien während dem Karneval, häusliche Übergriffe und jede andere Art von sexueller Belästigung! Danke für diesen Kommentar - es bleibt zu hoffen, dass dieses Thema wieder auf die Tagesordnung kommt. Ohne Polemik und Fremdenfeindlichkeit! Die Täter auf dem Oktoberfest waren ja sicher keine "Nordafrikaner" und Alkoholkonsum ist keine Entschuldigung - sonst wären ja alle Betrunkenen eine potentielle Gefahr!

Kommentar von Anja |

Etwas einseitig- die Menschen in dieser Menge müssen etwas von der sexuellen Gewalt mitbekommen haben, und sie ging ja anscheinend nicht nur von einer kleinen Minderheit aus. Für mich handelt es sich somit um eine ganze Menge Schuldige. Dass diese eventuell Zugewanderte aus Nordafrika sind und formell Muslime sind finde ich wiederum sehr unwichtig- in allen Völkern und Religionen gibt es miese feige Verbrecher, und diese sollten bestraft werden, egal wo sie herkommen. Und es muss eine Zusammenrottung von Kriminellen wie sie in Köln stattfand verhindert werden- wer glaubt dies sei durch Hartherzigkeit gegenüber Flüchtlingen oder Fremdenfeindlichkeit zu erreichen, der irrt.

Kommentar von Team Menschenrechte.eu |

@ Anja

Wie kommst du darauf, dass sexuelle Übergriffe nicht von einer kleinen Minderheit ausgingen? Bisher zeigen alle vorliegenden Informationen und auch Maximalschätzungen, dass es eine kleine Minderheit unter 1000 Personen war. Hast du da andere Informationen, die du hier verlinken kannst?

Beim Oktoberfest kommt es sher oft zu sexuellen Übergriffen (insbesondere Begrabschen etc.). Sexuelle Übergrifflichkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen.  Das Phänomen von Köln ist also nicht neu, sondern altbekannt, nur dass es niemanden interessiert, wenn die Täter nicht als "Fremde" identifiziert werden können. genau dies zeigt, dass es hier nicht um Anteilnahme für Opfer sexueller Gewalt, sondern um die Instrumentalisierung sexueller Gewalt und gleichzeitig deren Bagatellisierung geht, indem nämlich das Alltägliche dieser Übergriffe in der Gesellschaft geleugnet wird.

Ist jeder Besucher des Oktoberfestes mitschuldig, weil er womöglich gesehen hat, wie eine Frau angefasst wurde? Übrigens sieht das keineswegs jeder. Es ist ja nicht so, dass in der gesamten Ausdehnung einer Menschenmenge konstant die Übergriffe stattfinden müssen, das kann sich auf einzelne Punktelokalisieren, wobei man in einer Menschemenge oft nicht weiter sieht als 2-3 Menschen, gerade wenn man alkoholisiert ist. Zudem kann Angrabschen und Taschendiebstahl sich in Sekunden vollziehen. Die Schwierigkeiten sehen wir ja auch jetzt bei dem im Internet veröffentlichten Videomaterial, wo großteils nichts erkennbar ist, entsprechend werden also auch nicht alle oder viele Mitglieder der Menschenmenge das unbedingt beobachtet haben. Die Polizei hat es schließlich auch großteils nicht gesehen, obwohl sie anwesend war.

Andererseits gibt es in der Sozialpsychologie Studien, die zeigen, dass das Eingreifen von Menschen bei Delikten eher die Ausnahme als die Regel ist. Es gibt diesbezüglich auch erschütternde Berichte über vor den Augen Unbeteiligter ablaufende sexuelle Gewalt.

Bei Fußballspielen etc. geschehen übrigens ebenfalls ständig und in hoher Zahl Körperverletzungsdelikte. Trotz enormer Anstrengungen (Fanarbeit, Polizeieinsatz, desskalierende Strategien) gelingt es nicht, alle Gewalt abzustellen. Die Polizei in Köln verfügte über diese Kompetenzen offenbar nicht.

Was in Köln stattfand, ist eine Menschenmenge, die Silvesterböller etc. abgefeuert hat, unter die sich eine kleine Gruppe von Kriminellen mischte. Dies dezidiert zu verhindern, wird auch in Zukunft schwierig sein. Selbst ein Verbot von Oktoberfesten und Fußballspielen wäre kaum erfolgreich, weil sich dann illegale Gruppierungen bilden.

Letztlich können, das zeigen auch Studien, nur Strategien der Deeskalation, einschließlich dafür besonders ausgebildete Polizeieinheiten, sowie Aufklärung etc. helfen, nicht um alle Gewalt abzustellen, sondern um sie zu reduzieren. Strategien der sogenannten Härte führen nach allen vorliegenden Untersuchungen, von denen es zahlreiche gibt, zu keinen Verbesserungen, sondern höchstens zu Verschlechterungen. Das mag manchem nicht gefallen, ist aber eindeutiges Resultat weltweiter und jahrzehntelanger kriminologischer und psychologischer Forschung.

Gefährlich ist es Strategien der Diskriminierung und Ausgrenzung zu entwicklen, die dazu führen, dass ganze Bevölkerungsgruppen, wie z.B. die Schwarzen in den USA, unter Generalverdacht gestellt werdenund sich marginalisiert fühlen. Dies führt zu Entfremdung und einer Zunahme von Gewalt, die dan wiederum Rassismus fördert. Es ist ein Teufelskreis, aus dem keiner der Beteiligten aussteigt.

Derzeit wird aber eine absurde und eindeutig rassistische Diskussion geführt. Erstens wird nicht zwischen den Delikten getrennt und so getan, als ob es alles Sexualdelikte gewesen seien. Zweitens wird das Geschehen als einzigartig oder von neuer Qualität dargestellt, was allen Tatsachen und wissenschaftlichen Erkenntnissen bezüglich Verhalten von Menschenmengen widerspricht - und zwar kulutrübergreifend. Drittens wird Angst geschürt, obwohl die Gewaltkriminalität in Deutschland seit Jahrzehnten sinkt. Viertens werden die womöglich 1000 Mitglieder der Gruppe zu Tätern gestempelt, obwohl dies auch nach den Höchstschätzungen nur für eine kleine Minderheit von ihnen zutrifft. Fünftens wird ein Bezug zu Themen von Flucht und Vertreibung hergestellt, der nicht besteht, da vergleichbares Verhalten auch bei Menschenmengen, in denen sich vorwiegend Deutsche ohne Migrationshintergrund aufhalten, auftritt.