Balkan-Flüchtlinge in Deutschland: Politiker säen Roma-Hass im Land des Holocaust
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Während Asylbewerberheime brennen und die Gewalt gegen Flüchtlinge landesweit eskaliert, sehen Spitzenpolitiker von CDU/CSU nicht dies als Hauptproblem an, sondern die Asylbewerber aus dem Balkan. Mit ihren Parolen von massenhaftem Asylmissbrauch und einer Überflutung durch Flüchtlinge tragen sie tatsächlich maßgeblich von ihren Schreibtischen aus zu der Gewalteskalation bei. Sie agieren damit als Brandstifter im Hintergrund, auch wenn ihre Brandbeschleuniger virtuell sind. Der gewalttätige Mob ist Folge auch ihren Wirkens. Es scheint gar, dass die Gewalt ihnen Ansporn ist, ihre menschenverachtende Propaganda gegen Flüchtlinge fortzusetzen.
Zu den einschlägig bekannten Politikern von CDU/CSU gesellen sich andere, wie der baden-würtembergische bündnisgrüne Ministerpräsident Kretschmann. Sie stimmen ein in den Chor gegen die Balkanflüchtlinge, der insbesondere auch die Roma meint und damit ein Volk, dessen Vertreter einstmals durch das nationalsozialistische Deutschland vernichtet wurde. Es mangelt denen offensichtlich an Geschichtsbewusstsein, Verantwortungsübernahme und Menschlichkeit, die ausgerechnet in Deutschland jetzt die Zahl der Roma für zu hoch halten und die Abschiebung von Roma fordern.
In der Bundesrepublik Deutschland leben insgesamt nur 629000 Flüchtlinge, was einem äußerst geringen Anteil an der Gesamtbevölkerung von weniger als einem Prozent gleichkommt. Zudem ist die Gesamtanzahl der Flüchtlinge 2014, trotz weltweiter Kriegs- und Krisenszenarien, lediglich um 130000 Menschen gestiegen. Bezüglich der Flüchtlinge aus dem Balkan, auf die sich die Überflutungspredigten derzeit fokussieren, betrug die Zahl der durch diese im Jahr 2014 gestellten Asylanträge gerade einmal 37000 (siehe eine Mitteilung des Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Bamf). Zur Hysterie tragen aber auch solche Presseerklärungen des Bamf bei, die in dramatischem Ton von einer Rekordanzahl an Flüchtlingen sprechen, obwohl die absoluten Zahlen bescheiden sind. Die dargestellte Steigerung ergibt sich außerdem aus den Kriegen und Krisen in der Welt, zu denen auch die Politik der Bundesrepublik Deutschland im Bündnis mit der westlichen Staatenallianz beigetragen hat. So wurden allein im Jemen durch den aktuellen von westlichen Staaten und auch der Bundesrepublik Deutschland unterstützten Bombenkrieg mehr als eine Millionen Menschen vertrieben, während 13 Millionen zu wenig zu essen haben. Zudem geht die Steigerung der Flüchtlingszahlen in der Bundesrepublik Deutschland von einem äußerst geringen Basisniveau aus und ist daher für die Bundesrepublik Deutschland alles andere als besorgniserregend. Im Vergleich leben im Libanon bei einer Gesamtbevölkerung von vier Millionen 1,5 Millionen Flüchtlingen aus Syrien. Auch die Türkei hat ein Vielfaches an Flüchtlingen aufgenommen. Von einer Überflutung der Bundesrepublik Deutschland durch Flüchtlinge kann also keine Rede sein. Es mangelt nicht an Aufnahmekapazitäten, sondern an Menschlichkeit in unserem Land.
Verurteilung und Hass konzentrieren sich auf die Flüchtlinge aus dem Balkan, von denen ungefähr ein Drittel zum Volk der Roma gehört. Möglichkeiten zu einer angemessenen Lebensführung werden ihnen in ihren Herkunftsländern systematisch beschnitten. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Roma-Volk müssen sie oftmals unter bitterer Armut und sogar unter Hunger leiden. Schilderungen können auch bei Amnesty International nachgelesen werden. Die westeuropäischen Staaten sehen sich für ihr Schicksal nicht in der Verantwortung, obwohl beispielsweise im Kosovo infolge des Kosovo-Krieges, an dem sich westliche Staate und auch die Bundesrepublik Deutschland beteiligten, die Roma bis zum letzten Säugling und Greis aus ihrer dortigen Heimat vertrieben wurden. Bis zum heutigen Tag ist ihnen eine Rückkehr in den weitgehend durch kriminelle Strukturen beherrschten Kosovo unmöglich. Während im Kosovo mit Hashim Thaci ein Mann reagiert, der u.a. gemäß des Europarates in den Handel mit Organen verschleppter Serben involviert war, wollen bundesdeutsche Politiker nun den Kosovo sogleich in Gänze zum verfolgungsfreien Staat erklären.
Die systematische Diskriminierung der Roma wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe wird derzeit durch das Bamf nicht als Asylgrund anerkannt. Dies ist eine politisch gewollte Praxis. Die Asylanträge nahezu aller Roma werden entsprechend pauschal abgelehnt, zumal mittlerweile die wesentlichen Herkunftsstaaten per politischem Beschluss zu verfolgungsfreien Ländern erklärt wurden.
Neben den bekannten Personen aus CDU/CSU war es der bündnisgrüne baden-würtembergische Ministerpräsident Kretschmann, der dieses „Lex Roma“ ermöglichte und damit zu einem Ausschluss der überwältigenden Mehrheit der Roma von einer auch nur minimale Chancen einräumenden Asylprüfung beitrug. Wer hätte gedacht, dass einmal ein bündnisgrüner Ministerpräsident eine derartige Maßnahme gegen Roma ermöglichen würde? In einer Gesellschaft, in der Asylbewerberheime brennen und sich der Hass gegen Flüchtlinge freie Bahnen bricht, mag das Verhalten Kretschmanns aber vielen und offenbar auch ihm selbst als opportun erscheinen. Er hat sich an die fehlinformierte Mehrheitsgesellschaft angebiedert, die sich ohne Realitätsbezug durch Flüchtlinge und Roma bedroht sieht. Die urgrünen Prinzipien des Flüchtlingsschutzes und der Menschlichkeit hat Ministerpräsident Kretschmann damit freilich hinter sich gelassen. Schon schickt er sich an, für die Deklaration weiterer Herkunftsstaaten als verfolgungsfreie Länder sorgen zu wollen, wohl demnächst auch dem Kosovo.
Die Verachtung, die den Roma durch Politik, Medien und Bevölkerung entgegenschlägt, lässt notwendigerweise Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus aufkommen. Auch damals sah man in Deutschland ein „Zigeunerproblem“ und die Nationalsozialisten wollten dies endgültig durch den Holocaust lösen. Die genauen Zahlen sind unbekannt, aber mindestens 100000 Sinti und Roma, womöglich aber sogar mehr als 500000, wurden der Vernichtung in den Konzentrationslagern des nationalsozialistischen Deutschland zugeführt. Es wird geschätzt das Nazi-Deutschland insgesamt ein Viertel der Roma in ganz Europa vernichtete. Es ist bitter, wenn vor diesem Hintergrund ausgerechnet in Deutschland Rufe nach der schnellen Abschiebung von Roma immer lauter werden. Die Rufe richten sich gegen ein Volk, welches Opfer des Holocaust wurde und welches niemals eine adäquate Wiedergutmachung für sein ihm durch das nationalsozialistische Deutschland zugefügte Leid erhielt.
Die Vernichtung misslang, aber durch den Holocaust haben die Nationalsozialisten die Anzahl der Roma und Sinti bedeutsam reduziert. Heute leben in der Bundesrepublik Deutschland circa 120000 Roma. Welche Vorstellungen ergreifen von Politikern, Medienverantwortlichen und der Allgemeinbevölkerung Besitz, wenn sie ausgerechnet vor einer zu hohen Anzahl an Roma oder einer Zuwanderung von Roma nach Deutschland warnen? Befinden sich diese Stimmen nicht in gefährlicher Nähe zu einer Legitimierung der nationalsozialistischen Roma-Vernichtung? Diejenigen, die jetzt den Roma-Alarm ausrufen, sollten sich der Frage stellen, wie viele Roma heute in der Bundesrepublik Deutschland leben würden, wenn der Holocaust nicht stattgefunden hätte? Sie sollten sich darüber hinausgehend der Frage stellen, ob die Bundesrepublik Deutschland nicht eine besondere Verpflichtung hat, Roma aufzunehmen und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, um Wiedergutmachung für das nationalsozialistische Unrecht zu leisten? Wäre es nicht eigentlich gar Anlass zur Freude, dass die Überlebenden des gegen das Roma-Volk gerichteten Holocaust in Deutschland leben und Zuflucht finden möchten?
In Wirklichkeit sind die Roma - wie auch andere Flüchtlinge – keine Bedrohung für die Bundesrepublik Deutschland. Die echte Bedrohung für den menschenwürdigen Charakter unserer Gesellschaft sind vielmehr die Rufe von Politik und Medien nach schneller Abschiebung von Mitgliedern des Roma-Volkes und anderer Flüchtlinge. Bedrohlich für dieses Land ist die Kaltherzigkeit, mit der es sich von dem Elend in der Welt abschotten möchte und die Hartherzigkeit, die es gegenüber dem Leid der Roma zeigt, die es einstmals vernichten wollte. Eine Gefahr für dieses Land sind nicht die Roma, sondern neben den direkten Gewalttätern und Hetzern auch Personen, wie der baden-würtembergische Ministerpräsident Kretschmann, die ob gewollt oder ungewollt mit den Hetzern von rechts kollaborieren und eine einstmals flüchtlingsfreundliche Partei mit fremdenfeindlichen Positionen infiltrierten. Sie alle haben offenbar aus dem Holocaust wenig gelernt – dies ist die erschreckende Schlussfolgerung, die in der aktuellen Diskussion noch viel zu wenig Rezeption findet. Es ist zu fürchten, dass mit einer noch verschärften Barbarisierung der herrschenden Flüchtlings- und Roma-Politik gerechnet werden muss.
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Kommentar von Ute Liebetrau |
Jeder Flüchtling hat das Recht auf eine Einzelfallprüfung, alles andere nenne ich Rassismus.