Polizeigewalt in den USA: Ende der westlichen Arroganz?
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Die westlichen Staaten, die sich als Anführer einer internationalen Gemeinschaft verstehen, finden typischerweise starke Worte gegen Menschenrechtsverletzungen. Die Reaktion auf die Massenproteste in den USA gegen systematische und landesweite Polizeigewalt zeigen allerdings, dass dies nur dann gilt, wenn es die eigenen Gegner betrifft.
In den USA demonstrieren nicht ohne Grund Tausende von Menschen unter der Losung, dass auch schwarzes Leben zählt. Sachlage ist, dass in den USA ein unbewaffneter schwarzer Mann auf Video durch Polizeibeamte erstickt werden kann, ohne dass dies ein gerichtliches Nachspiel hat. Sachlage ist zudem, dass die Polizei der Meinung ist, der Getötete habe seine Tötung provoziert. Angebliches Verkaufen illegaler Zigaretten und rein verbaler Widerspruch genügen nach dieser Logik, um einen Menschen, jedenfalls einen Schwarzen, zur Tötung freizugeben. Der Mediziner, der die Obduktion durchführte, sprach übrigens explizit von einem Tötungsdelikt. Sachlage ist auch, dass es in den USA viele Erich Garners gibt - Menschen, deren Tod niemals strafrechtlich aufgearbeitet wurde, weil sie eine schwarze Hautfarbe hatten und weil diejenigen, die sie töteten, Polizisten waren.
Tatsache ist, dass Polizeigewalt in den USA hochfrequent und landesweit auftritt, dass sie jedes Jahr zu zahlreichen Todesfällen führt und dass sie nahezu immer ungeahndet bleibt. Polizeibeamte haben in den USA im Regelfall einen Freifahrtschein, wenn es darum geht, tatsächliche oder auch nur vermeintliche Gesetzesbrecher unberechtigt zu inhaftieren, zu demütigen, zu misshandeln und zu erschießen. Nicht nur, aber überproportional häufig sind Schwarze betroffen. Die Polizeigewalt in den USA hat ein rassistisches Gesicht. Wenn der Fahrstuhl defekt ist und man im Dunkeln das Treppenaus wählt, steigt bereits das Risiko, dass man von Polizei erschossen wird, vor allem dann, wenn man schwarz ist. Auch dies zeigt ein neuerlicher Fall.
Die landesweiten Demonstrationen, Märsche und Blockaden gegen rassistische Polizeigewalt in den USA, konvergieren mit einem Schweigen derjenigen, die anderswo die ersten sind, die die Stimme erheben, um Menschenrechtsverletzungen zu beklagen. Dieselben, die den russischen Präsidenten Putin berechtigt wegen der Diskriminierung und Verfolgung Homosexueller und Andersdenkender angreifen, bleiben wortlos, wenn das Menschenrechtsproblem nicht Russland, sondern die USA betrifft. Wird Putin für jeden homophoben Schläger verantwortlich gemacht und das Versagen von Ermittlungsbehörden und Justiz durchaus berechtigt als Versagen des ganzen Staates dargestellt, wird peinlich darüber hinweggegangen, dass auch in den USA ein Staatsversagen vorliegt, welches einem System der Duldung von durch staatliche Organe begangener Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen entspricht, selbst wenn diese tödlich sind. Die Demonstranten wissen dies aus eigener Erfahrung, ihr Anliegen wird aber weder in den USA noch in den anderen westlichen Staaten angemessen zur Kenntnis genommen, sondern das landesweite System durch Staatsorgane begangener rassistischer Gewalt wird aufrechterhalten.
Neben Heuchelei und doppelten Maßstäben, mögen es durchaus eigene, nicht reflektierte und womöglich sogar unbewusst bleibende, auf jeden Fall ausgeblendete, rassistische Vorurteile sein, die begründen, warum auch in den freien westlichen Medien keineswegs eine auch nur ansatzweise mit der Berichterstattung zu Putin und Russland vergleichbare Verurteilung der Menschenrechtsverletzungen in den USA erfolgt. Die schwarzen Opfer in den USA sind es offenbar den Schreibern in den Medien letztlich nicht Wert, um den Staat, der für sie verantwortlich ist, zu verurteilen.
Aus menschenrechtsbezogener Sichtweise ist rassistische Polizeigewalt in den USA demgegenüber keine Bagatelle, sondern ein Verbrechen. Die Gegner der westlichen Staatengemeinschaft mögen sich freuen, ihren Kritikern den eigenen Spiegel vorhalten zu können. Nordkorea, Russland und China haben damit bereits begonnen. In Wirklichkeit zeigen sie damit die gleiche Heuchelei und Doppelzüngigkeit, die auch die westlichen Staaten zeigen, wenn sie eigene Menschenrechtsverletzungen nicht aufklären und beenden, sondern den Fokus auf die Menschenrechtsverletzungen der anderen richten.
Menschenrechte dienen heute vorwiegend als propagandistisches und machtstrategisches Instrument in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner. So schlecht ist es um sie gestellt und ein Ende ist nicht in Sicht.
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