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Militäreinsatz im Mittelmeer: Flüchtlinge werden Gewalt in Libyen ausgeliefert

(Kommentare: 3)

Militärplan der europäischen Union droht, Millionen Flüchtlinge in Libyen festzusetzen

Durch Aufnahme von syrischen Flüchtlingen erwirbt sich Deutschland in diesen Tagen einen liberaleren und menschenfreundlicheren Ruf. Gleichzeitig beteiligt sich aber Deutschland weiterhin an einer Politik, die darauf ausgerichtet ist, Flüchtlinge unter möglichst allen Umständen von Europa fernzuhalten. Mithilfe militärischer Mittel gegen Schlepper soll die Fluchtbewegung über das Mittelmeer nunmehr gestoppt werden. Im Ergebnis könnten militärisczhe Maßnahmen dazu führen, dass Flüchtlinge vermehrt in Libyen festgehalten werden und dort Misshandlungen, Versklavung, Vergewaltigungen oder gar Exekutionen zum Opfer fallen.

 

In einer ersten Phase der Militärmaßnahme, die bereits begonnen hat, werden Informationen über Schlepper gesammelt und Flüchtlinge gerettet. In einer zweiten Phase sollen demnächst Schlepperschiffe außerhalb libyscher Hoheitsgewässer gestoppt, beschlagnahmt oder zerstört werden. Schlepper sollen verhaftet werden. In einer dritten Phase soll die Zerstörung der Schlepperschiffe bereits in libyschen Hoheitsgewässern oder sogar an Land erfolgen. Hierfür wird allerdings die Zustimmung der libyschen Regierung oder ein UN-Mandat erforderlich sein. Die offiziell anerkannte libysche Regierung hat derzeit in Libyen nur eine äußerst begrenzte Macht und ist im Gebiet von Tripoli, wo eine islamistische Miliz herrscht, sogar gänzlich ohne Einfluss. Eine Zustimmung dieser Regierung wäre insofern eine Farce, die allein formaljuristischen Wert zur Legitimation eines militärischen Vorgehens hätte. In Wirklichkeit wäre wohl eine Verständigung mit islamistischen Milizen erforderlich, die einer Legitimation dieser Milizen gleichkäme. 

 

Frank-Walter Steinmeier benutzt große Worte, um für den Militäreinsatz werben: "Europa darf nicht zulassen, dass das Mittelmeer ein Massengrab für Flüchtlinge ist". Der deutsche Außenminister gibt dem Militäreinsatz so einen humanitären Anstrich. Er verschweigt, dass der Einsatz dazu dient, die Abschottung Europas zu verstärken. Hingenommen wird, dass bei einem erfolgreichen Verlauf die in Libyen festsitzenden Flüchtlinge in großer Anzahl Opfer von willkürlicher Inhaftierung, Versklavung, sexuellen Übergriffen und Exekutionen werden könnten. Dies folgt daraus, dass der Kampf gegen die Schlepper nach den vorliegenden Planungen mit keinerlei Bemühungen einhergeht, den mindestens eine Millionen Flüchtlingen in Libyen einen sicheren Fluchtweg zu ermöglichen. Je effizienter es jedoch gelänge, die Flüchtlinge vom Mittelmeer fernzuhalten, desto mehr würden sie als Gefangene und Vogelfreie zu Menschen bar aller Rechte in Libyen werden.

 

Amnesty International hat die horrenden Bedingungen für Flüchtlinge in Libyen unter dem plastischen Titel Libya is full of cruelty’: Stories of abduction, sexual violence and abuse from migrants and refugees dokumentiert. Die durch die deutsche Bundesregierung unterstützten militärischen Maßnahmen der EU sollen die Flüchtlinge vom Mittelmeer und damit von Europa besser fernhalten als bisher. Dies könnte zu einer Verschärfung der humanitären Flüchtlingskatastrophe in Libyen führen.

 

Da Libyen im Chaos versinkt, die Machtverhältnisse zwischen den zahlreichen Milizen, einschließlich dem islamischen Staat (ISIS), ständig wechseln und für Journalisten akute Lebensgefahr besteht, bleibt das Leid der Menschen dort weitgehend unbemerkt von der internationalen Öffentlichkeit. Während die Toten im Mittelmeer auffallen, werden die Schreie der in Foltergefängnissen Verschleppten, der Vergewaltigten und der Versklavten in Libyen nicht gehört. Der militärische Kampf gegen die Schlepper könnte die Anzahl dieser Opfer weiter erhöhen, ohne dass die internationale Öffentlichkeit von ihnen erführe.

 

Gelingt es den Regierungen der Länder der europäischen Union die Flüchtlinge vom Mittelmeer fernzuhalten, könnten sie ihren Bevölkerungen einen Erfolg vermelden, dessen humanitäre Verkleidung freilich mit der Wirklichkeit nichts zu tun hätte. Denn wenn Deutschland und die anderen Staaten der europäischen Union diesen Militäreinsatz erfolgreich umsetzen, werden sie mehr als eine Millionen Flüchtlinge in Libyen der barbarischen Gewalt von Milizen und Verbrecherbanden ausliefern, die jenseits aller Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit agieren. Frank-Walter Steinmeier möchte es nicht zulassen, dass das Mittelmeer ein Massengrab bleibt, gegenüber einer möglichen oder sogar sehr wahrscheinlichen Zunahme von Verschleppungen, Versklavung, Vergewaltigungen, Misshandlungen, Folter sowie Exekutionen von Flüchtlingen in Libyen infolge einer europäischen Militäraktion hat er offenbar weniger schwerwiegende Bedenken. Die Möglichkeit eines solchen Kollateralschadens wird von ihm jedenfalls nicht einmal erwähnt.

 

Die durch Deutschland und die anderen Länder der europäischen Union forcierte Militärmaßnahme ist höchstens - wenn überhaupt - dazu geeignet, die sichtbare humanitäre Katastrophe im Mittelmeer auf das schwerer einsehbare libysche Festland vorzuverlagern. Wer aber in Zeiten des kompletten Zusammenbruchs der sozialen Ordnung in Libyen und zunehmender Aktivitäten des islamischen Staates (ISIS) dazu beitragen will, Flüchtlingen das Entkommen aus diesem Land zu erschweren, handelt unmenschlich.

 

Ginge es Deutschland und den anderen Staaten der europäischen Union um humanitäre Ziele, würden sie einen Plan vorlegen, wie den Flüchtlingen in Libyen und anderswo ein sicherer Fluchtweg ermöglicht werden könnte. Ein internationaler Plan ist erforderlich, der auch die USA, Australien und lateinamerikanische Staaten, wie Venezuela, die durchaus aufnahmebereit sind, einschließen sollte. So könnte das Geschäft der Schlepper zum Einsturz gebracht werden. Ein militärischer Einsatz gegen die Schlepper ist demgegenüber hierfür ungeeignet und dient einem egoistischen Abschottungsstreben, welches den Tod von Menschen in Kauf nimmt. Womöglich werden wir sogar demnächst die Bilder von bei Maßnahmen der Schlepperbekämpfung zum Kentern gebrachter Boote mit Flüchtlingen sehen. Auch dies sollte berücksichtigen, wer für einen derartigen Militäreinsatz eintritt.

 

Im Übrigen ist es fragwürdig, ob Militäraktionen überhaupt zum Erfolg führen können. Schlepper reisen oft nicht mehr auf den Booten der Flüchtlinge mit, sondern sie vermitteln den Flüchtlinge vor dem Seegang das rudimentäre Wissen zur Steuerung der Boote. Sollen diese Flüchtlinge, die die Boote steuern, nunmehr zu Schleppern erklärt und verhaftet werden? Was wird mit den Flüchtlingen auf den Booten gemacht – sollen sie sich selbst überlassen oder nach Libyen zurückgesandt werden? Dies wäre verbrecherisch. Es ist aber zu befürchten, dass dies geschieht, weil andernfalls die Schlepper künftig Rettung und Transport der Menschen nach Europa bereits in unmittelbarer Nähe der libyschen Küste getrost den durch die Staaten der europäischen Union geschickten Kriegsschiffen überlassen könnten.

 

Gelingt es dem Militäreinsatz, den Schleppern ernsthafte Verluste beizubringen, dürften außerdem die Preise für ihre Leistungen ansteigen, was für die Flüchtlinge nicht weniger, sondern mehr Last und Leid bedeuten würde.

 

Die avisierte Militäraktion der europäischen Union gegen Schlepper ist tatsächlich eine Militäraktion gegen Flüchtlinge, der eine humanitäre Tarnfarbe gegeben wird. Sie beruht auf einer Logik der Abschreckung, die übersieht, dass die Flüchtlinge für ihre Flucht keine Alternative haben. Aufgrund dieser Alternativlosigkeit lassen sich die Flüchtlinge nicht durch das Massensterben im Mittelmeer abschrecken und schon gar nicht durch viel diskutierte Leistungskürzungen, die für die Fluchtursachen keinerlei Belang haben und lediglich das falsche Bild "parasitärer Flüchtlinge" vermitteln, wodurch der Verbreitung von Rassismus Vorschub geleistet wird.

 

Die Militäraktion der EU gegen Schlepper ist aus menschenrechtlicher Sichtweise ein Plan, der erneut ein Europa zeigt, welches den eigenen Werten von Menschenrechten und Solidarität nicht entspricht. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier täuscht die Öffentlichkeit, indem er humanitäre Gründe für einen Militäreinsatz anführt. Ohne die Bereitstellung sicherer Fluchtwege würden die Regierungen der europäischen Union mithilfe dieser Maßnahme in letzter Konsequenz das Geschäft von skrupellosen Menschenhändlern und dem islamischen Staatbetreiben, denen die Opfer zugetrieben würden.

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Kommentar von Susanne Danese |

Bitte, bitte nicht. Es ist doch erst 70 Jahre, dass wir das gleiche Elend in Europa hatte. So kurz kann doch kein Gedaechtnis sein und so weit jenseits jeden Mitgefühls.

Kommentar von Laurence Wuillemin |

Irgendwie sind wir in die Barbarei wieder abgedriftet. Fachleute werden nicht gehört, es wird nur auf Kosten von Menschen weiter so wie vorher gemacht. Ein Menschenleben ist nichts wert.

Kommentar von Bernd |

In der Sendung gestern "Menschen bei Maischberger" sprach der Redakteur des Schweizer "BLIXK" Köppel von einer Doppelmoral. Dem ist nichts hinzu zu fügen.
Das tolle Gesicht von Frau Merkel, das die Flüchtlinge vor sich hertragen, ist nicht das reale Bild Deutschlands.
Es sind die ehrenamtlichen Helfer, die unendlich vielen Gesichter, die hier stehen mssten. Deutschland ist einer der Hauptverantwortlichen für Dublin II. Deutschland ist mitverantwortlich dafür, dass MARE NOSTRUM beendet und durch FRONTEX ersetzt wurde. Deutschland ist einer der grössten Waffenexporteure auch in Krisenländer, siehe Saudi Arabien, das jetzt stellvertretend für die USA den Jemen bombadiert. Deutschland ist in Afghanistan und anderen Kriegsländern militärisch beteiligt und ich habe auch nicht gehört, dass Deutschland Interventionen gegen Ungarn und den Grenzzaun erhoben hat.
Nun stellen sich Gutmenschen wie der unerträgliche Herr Bosbach hin und zeigen mit den Zeigefingern auf die Folgen in anderen Ländern, die mit dem Problem nicht mehr fertig werden.
Merkel´s gastfreundliches Gesicht bekommt andere Züge, wenn man zudem weiss, dass Ungarn die Flüchtlinge quasi aufgrund einer missverstandenen Aussage von Frau Merkel los schickte. Letztlich blieb ihr nichts mehr Anderes übrig, als "Ja" zu einer Ausnahme von den geltenden EU Bestimmungen zu sagen.
Der EU sollte ebenso wie Herrn Barack Obama der Friedensnobelpreis aberkannt werden, denn auch die USA, die dieses ganze Elend verursachen mit ihrer aggressiven Politik, sollten dieses Problem lösen. Dies kann mit Herrn Putin geschehen, aber nicht in dem man diesen in die Ecke stellt.