Hauptseite > Meldung, komplett

Gaucks Besuch in Kiew: Heldengedenken statt mahnender Worte

(Kommentare: 0)

Bundespräsident Joachim Gauck hat in Kiew gemeinsam mit Staatspräsident Petro Poroshenko der →Toten auf dem Maidan gedacht. Derweil hat die Aufklärung der Todesfälle keine Fortschritte gemacht. Eine unabhängige und nachprüfbare Aufklärung durch die Regierung in Kiew ist bisher nicht erfolgt, was bei den Angehörigen der Opfer immer wieder zu Protesten führt (siehe auch Amnesty International Bericht →Ukraine: One year after EuroMaydan protests, justice denied for victims of violence).

 

Ein Fernsehbericht des →ARD Magazin Monitor, die Äußerungen des →lettischen Außenministers Urmas Paet in einem abgehörten Telefonat mit der EU Außenpolitikbeauftragten Catherine Ashton, sowie →ausführliche Recherchen des kanadischen Politikwissenschaftlers Ivan Katchanovski lassen demgegenüber begründete Zweifel an der regierungsamtlichen Version aufkommen. Mindestens kann mittlerweile als gesichert gelten, dass sich Scharfschützen der Opposition, vermutlich des rechten Sektors, an dem Massaker beteiligten.


Bundespräsident nahm an einer Veranstaltung teil, der es um die Reklamierung der Toten für die eigene politische Sache ging. Hinter der Ehrung und dem Gedenken an die Toten, verbirgt sich ihr Missbrauch für machtstrategische Zwecke. Ginge es um ein Ergründen der Wahrheit, wäre die Untersuchung des Maidan-Massakers in voller Transparenz und unter Beteiligung internationaler Experten erfolgt. Ginge es um Menschenrechte, würden man Tote nicht für Heldengedenken politisch instrumentalisieren, sondern ihren Tod aufklären.

 

Bundespräsident Gauck verpasste in Kiew die Gelegenheit zu nachdenklichen und mahnenden Worten. Er forderte keine unabhängige Aufklärung des Maidan-Massakers und ließ damit den Ruf der Angehörigen der Toten ungehört verhallen. Was Präsident Gauck in Kiew getan hat, war kein mutiger Einsatz für die Menschenrechte, sondern ein pathetischer Akt der staatstragenden Zurschaustellung einer Betroffenheit, die eine authentische Aufklärung des Maidan-Massakers vermeiden möchte.

 

Das Verhalten von Bundespräsident Gauck ist symptomatisch für eine einseitige Positionierung im Ukraine-Konflikt. Hierzu gehört auf Seiten der westlichen Staaten eine entschiedene Verurteilung der Menschenrechtsverletzungen durch Separatisten und russische Regierung bei schweigender Duldung der Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung in Kiew und die mit ihr verbündeten Kräfte. Mit umgekehrten Vorzeichen handeln Russland und die Separatisten ebenso.

 

In Wirklichkeit sind Menschenrechtsverletzungen beider Seiten glaubwürdig dokumentiert und die Verantwortlichkeiten sind komplex (siehe Amnesty International Bericht →"Ukraine: Horror of civilian bloodshed in indiscriminate attacks"). Auch →Human Rights Watch (HRW) wirf beiden Seiten Menschenrechtsverletzungen vor. Die ukrainische Regierung und die Aufständischen setzten Raketen vom Typus Grad ein, die unpräzise seien und deren Einsatz daher nicht in Nähe von Zivilisten bei militärischen Einsätzen erlaubt sei. Der Einsatz dieser Raketen in der Nähe von Zivilisten widerspreche internationalen Regularien zum Schutz von Zivilisten bei kriegerischen Auseinandersetzungen und könne einem Kriegsverbrechen gleichkommen.

 

Es besteht derzeit die Hoffnung, dass der begonnene Prozess des Waffenstillstandes trotz zwischenzeitlicher Rückschläge beibehalten wird. Sollten sich aber die Stimmen durchsetzen, die Waffenlieferungen an die Regierung in Kiew fordern, könnte eine weitere militärische Eskalation mit einer Vervielfachung der Opferzahlen die Folge sein. Es hätte Bundespräsident Gauck in Kiew gut angestanden, hiervor zu warnen und als Mahner für den Frieden aufzutreten. Diese Chance hat er vertan.

 

Aktuell ersetzen auf allen Seiten Rituale von Betroffenheit und Selbstbeweihräucherung den ernsthaften Einsatz für Menschenrechte und Frieden. Der Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck in Kiew zu Ehrung der Opfer des Maidan-Massakers ist hierfür lediglich ein neuerliches Beispiel.

Zurück

Einen Kommentar schreiben