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Inhaftierung von Flüchtlingen: Hat eine Kollaboration zwischen EU und libyschen Milizen begonnen?

(Kommentare: 4)

Verstärkt häufen sich Berichte, dass die libysche Küstenwache Flüchtlinge in großer Zahl interniert. Es stellt sich die Frage, ob hier bereits eine verdeckte Kooperation der Staaten der EU mit der libyschen Seite vorliegt?

 

Wäre dies der Fall, würden die Regierungen der Europäischen Union mit Strukturen eines zerfallenen Staates und Milizen zusammen arbeiten, von denen bekannt ist, dass sie Flüchtlinge verschleppen, versklaven und misshandeln. Die EU würde sich damit der Kollaboration mit Unrechtsstrukturen schuldig machen und eine schwere Menschenrechtsverletzung begehen.

 

Erfreulicherweise wurde seit dem Massensterben vor gut zwei Wochen in den vergangenen Tagen mehrfach eine große Anzahl an Flüchtlingen, auch unmittelbar vor der libyschen Küste, durch EU-Staaten gerettet. Gestoppt wurde das Sterben aber nicht, vielmehr sind soeben wieder mindestens 40 Flüchtlinge im Meer zu Tode gekommen.

 

Derweil berichten die Nachrichtenagenturen in den letzten Tagen vermehrt über Aktivitäten der libyschen Küstenwache. Jetzt hat diese offenbar in einer konzertierten Aktion mehr als 600 Flüchtlinge, unter ihnen schwangere Frauen und Kinder, festgenommen.

 

Die plötzlichen Aktivitäten der libyschen Küstenwache machen stutzig, denn sie decken sich mit den Interessen und auch Forderungen der westeuropäischen Staaten. Die Flüchtlinge sollen von den Booten ferngehalten werden und den Weg über das Mittelmeer möglichst gar nicht antreten.

 

Der deutsche Frontex Verantwortliche Klaus Rösler will der libyschen Seite bereits seit Langem einen Großteil der Verantwortung für die Flüchtlinge zuweisen. Ende 2014 forderte er sogar, keine Flüchtlinge in libyschen Gewässern mehr zu retten, sondern lediglich die libysche Küstenwache einzuschalten. Dies tat er in vollem Wissen darum, dass die libysche Küstenwache sich in einem desolaten Zustand befindet und es keine funktionstüchtige Zentralregierung oder Administration in Libyen mehr gibt. Implizit konnte die Forderung von Klaus Rösler nur als eine Aufforderung verstanden werden, die Flüchtlinge oder einen großen Teil von ihnen ertrinken zu lassen.

 

Ist es ein Zufall, dass die libysche Küstenwache in diesen Tagen mit Masseninhaftierungen in Erscheinung tritt? Ist es gar zu begrüßen, dass so diesen Flüchtlingen der Weg über das Meer versperrt wurde? Gibt es Kontakte europäischer Regierungen oder Organisationen mit der libyschen Küstenwache oder anderen libyschen Ansprechpartnern? Sind die Masseninhaftierungen durch die libysche Küstenwachse der Beginn des angekündigten Kampfes gegen die Schlepper?

 

Dies sind Fragen, für die es noch keine gesicherten Antworten gibt. Aber wenn es eine Zusammenarbeit zwischen europäischen und libyschen Ansprechpartnern geben sollte, mit wem arbeiten dann die europäischen Staaten zusammen und was könnte eine solche Zusammenarbeit für Konsequenzen für die Flüchtlinge haben?

 

In Tripoli ist der Sitz einer international nicht anerkannten libyschen Konkurrenzregierung, die von der islamistischen Miliz „Libya Dawn" getragen wird. Sie liefert sich mit der machtlosen Regierung in Toubrouk politische, ökonomische und militärische Auseinandersetzungen. Verbündet ist sie u.a. mit islamistischen Milizen aus Misrata, die für die Vertreibung der gesamten schwarzen Bevölkerung Tawerghas verantwortlich sind, ein Verbrechen, welches von Human Rights Watch als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewertet wird.

 

In Libyen gibt es mehrere Internierungslager für Flüchtlinge, die von verschiedenen Milizen betrieben werden. Die Misrata-Milizen betreiben ein besonders großes Internierungslager in ihrer Herkunftsstadt. Die dort inhaftierten Flüchtlinge sind rechtlos. Sie werden inhaftiert, misshandelt, nicht ausreichend medizinisch versorgt. In den Internierungslagern in Libyen werden Flüchtlinge ausgepeitscht, geschlagen und an Bäumen aufgehängt, berichtet Human Rights Watch.

 

Flüchtlinge in Libyen sind vogelfrei. Sie können jederzeit verschleppt, inhaftiert und versklavt werden. Im schlimmsten Fall landen sie beim Islamischen Staat (ISIS, IS, ISIL), der vor kurzem 30 äthiopische Christen enthauptete und erschoss. Diese Flüchtlinge hatten es nicht rechtzeitig geschafft, die Boote zu erreichen.

 

Was wird nun mit den 600 Flüchtlingen geschehen, die die Küstenwache soeben inhaftiert hat? Wo werden sie festgehalten werden? Wie lange werden sie ihrer Freiheit beraubt werden? Werden sie oder einige von ihnen misshandelt, gefoltert, vergewaltigt, versklavt oder gar getötet werden? Werden sie womöglich später einmal in die Hände des Islamischen Staates oder ähnlicher Menschenverächter fallen? Eine Antwort wird es vermutlich niemals geben.

 

In Libyen gibt es keine funktionstüchtigen staatlichen Strukturen mehr. Die Menschen sind Milizen ausgeliefert. Willkür ist an die Stelle staatlicher Ordnung getreten. In diesem zerfallenen Staat sind die Flüchtlinge das letzte Glied. Jederzeit können sich auch die lokalen Machtverhältnisse ändern. Jedes Internierungslager für Flüchtlinge mag bereits morgen durch den Islamischen Staat übernommen und zum Schauplatz von Massenenthauptungen gemacht werden. Niemand und auch keine Regierung der Staaten der europäischen Union ist dazu in der Lage, diese Möglichkeit auszuschließen.

 

Die Flüchtlinge der libyschen Küstenwache und den Milizen zu überlassen und nicht sehen zu wollen, was mit ihnen passiert, ist unverantwortlich. So kann eine humanitäre Lösung nicht aussehen. Wir können die Anzahl der Toten im Mittelmeer nicht dadurch mindern wollen, dass wir Menschen Willkür und Terror ausliefern. Täten wir dies, wäre es eine ähnlich menschenverachtende Strategie wie die bisherige Strategie, die Menschen zur Abschreckung von Nachfolgern im Meer ertrinken zu lassen.

 

Will Europa Menschen durch willkürliche Inhaftierung, Folter, Vergewaltigung, Versklavung oder gar Exekution von ihrer Flucht abhalten? Treten wir nun in eine weitere Abschreckungsstrategie ein, nachdem das Ertrinkenlassen im Meer sich mindestens vorläufig als nicht öffentlich vertretbar erwiesen hat?

 

Ein solcher Ansatz wäre zum Scheitern verurteilt. Er würde nur die Bemühungen der Schlepper verstärken und am Ende den Menschenhandel eher fördern als behindern. Denn Libyen ist ein zerfallener Staat und jede Kooperation mit seinen Milizen und Menschenschindern wird lediglich ihre Konkurrenz auf den Plan rufen, um das Geschäft mit der Schlepperei zu übernehmen. Geschaffen würde zudem der Anreiz, gleich mehrfach abzukassieren, bei der Europäischen Union und bei den Flüchtlingen. Zuerst verschleppt man sie, später schickt man sie dennoch über das Meer.

 

Aber selbst wenn hierdurch die Anzahl der Flüchtlinge im Meer reduziert werden könnte, wäre diese Politik eine Bankrotterklärung der Europäischen Union. Sie würde alles wegwischen, worin sich die Länder der europäischen Union von den Unrechts- und Schurkenstaaten in ihrem Selbstverständnis unterscheiden wollen.

 

Was also kann und soll getan werden?

 

Die westeuropäischen Regierungen werden sich entscheiden müssen, ob sie menschenverachtende Schurkenstaaten oder die Menschenrechte respektierende Rechtsstaaten sein wollen. Die internationalen Fluchtbewegungen entstehen nicht in einem luftleeren Raum. Sie sind auf das Engste verknüpft mit den Handlungen der westlichen Staatengemeinschaft, die tatkräftig mitgeholfen hat, die libysche Gesellschaft zu zerstören und auch andere Länder, wie Irak, Syrien und aktuell den Jemen in die Katastrophe zu stürzen. Die Flüchtlinge fliehen, weil ein menschenwürdiges und sicheres Leben in ihrer Heimat nicht möglich ist.

 

Wenn ein Haus brennt,  muss zuerst gelöscht werden, bevor über den Neubau von Häusern nachgedacht werden kann. Wenn Flüchtlinge ertrinken, müssen sie zuerst gerettet werden, bevor wir beginnen können, die Fluchtursachen zu beseitigen. Wenn Flüchtlinge keinen sicheren Ausweg haben und daher den gefährlichen Weg über das Mittelmeer suchen, brauchen wir nicht mehr Abwehr und Abschreckung, sondern die Eröffnung sicherer Fluchtwege.

 

Europa kann und muss den Flüchtlingen beistehen und ihnen einen sicheren Weg nach Europa ermöglichen. Täte Europa dies, würde es auch die menschliche Größe, den Willen und die Fähigkeit erwerben, künftig nicht immer aufs Neue weitere Fluchtursachen zu schaffen, sondern weltweit dazu beizutragen, Kriege, bewaffnete Konflikte, Ausbeutung, Unterdrückung und Verfolgung zu beenden, anstatt sich wie bisher immer dann, wenn es opportun ist, mit den Verfolgern zu verbünden und sich an Kriegen – und sei es über den Waffenhandel - zu beteiligen.

 

Die Flüchtlinge stellen Europa vor große Herausforderungen. Sie geben Europa die Chance, sich solidarisch und menschenwürdig zu verhalten und dadurch die Aussichten für eine gerechtere Weltgemeinschaft zu verbessern.

 

Leider deutet gegenwärtig nichts darauf hin, dass die Regierungen der Länder der europäischen Gemeinschaft gewillt wären, diese Herausforderung anzunehmen. Es ist zu befürchten, dass das Leiden der Flüchtlinge weitergehen wird, im Mittelmeer und wohl auch in libyschen Internierungslagern mit besten Abschreckungsgrüßen aus Europa. Was für ein Skandal und was für eine Schande!

 

Bitte unterzeichnen Sie hier auch die Petition an Angela Merkel „Seenotrettung für Flüchtlinge jetzt!“.

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Kommentar von Heisinger Beate |

HILFE ist nötig !!!!!!
Nicht monatelang herumreden . .TUN !!!!
BITTE

Kommentar von van de winkel .katharina |

Sehr geerte Frau Merkel !!! Ich möchte hiermit bitten etwas besseres für dieses fluechtlingselend zu tun ! Es kann und darf so nicht gehen das dabei zugesehen wird .wie Menschen vor unserer Haustür sterben oder zu den terrorstaaten zurückgeschickt werden wo doch klar auf der Hand liegt .das es dort niemals besser geht !! Es wäre nett wenn sie sich da bitte drum kümmern würden !! Mit freundlichen gruss .....van de Winkel .katharina

Kommentar von van de winkel .katharina |

Sehr geerte Frau Merkel !!! Ich möchte hiermit bitten etwas besseres für dieses fluechtlingselend zu tun ! Es kann und darf so nicht gehen das dabei zugesehen wird .wie Menschen vor unserer Haustür sterben oder zu den terrorstaaten zurückgeschickt werden wo doch klar auf der Hand liegt .das es dort niemals besser geht !! Es wäre nett wenn sie sich da bitte drum kümmern würden !! Mit freundlichen gruss .....van de Winkel .katharina

Kommentar von Sylvia Wolff |

Sehr geehrte Frau Merkel, wenn Sie einen Funken christlicher Nächstenliebe und Emphatie haben, dann sorgen Sie bitte mit dafür, dass dieses Grauen ein Ende hat. Ich möchte mich nicht weiter dafür schämen müssen ein Europäer zu sein. Bitte stellen Sie auch die Waffenlieferungen in Krisenregionen ein