Europäische Union erbaut "eisernen Vorhang der Flüchtlingsabwehr"
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Soeben ist ein denkwürdiger Artikel in der Online-Ausgabe der Zeit erschienen unter dem Titel „Die Kosten der Abschottung - Die EU gibt Milliarden aus, um an den Außengrenzen illegale Flüchtlinge aufzuhalten. Gebracht hat es nur wenig. Jetzt soll mit Hightech nachgeholfen werden“.
Berichtet wird über den Stacheldraht-Zaun, den Griechenland mit Förderung durch die EU erbaute, um Flüchtlingen den Landweg aus der Türkei zu versperren.
Ins rechte Licht gerückt wird auch ein vier Milliarden schwerer Fond der EU, der unter der Bezeichnung „Solidarität und Steuerung“ zur Abwehr von Flüchtlingen eingesetzt wird. Eine Milliarde stellte demnach die EU zur Verfügung, um Zäune, Überwachungsanlagen und Grenzkontrollen auszuweiten.
Dargestellt werden im Artikel Zahlen, nach denen Spanien 180 Millionen Euro, Griechenland 120 Millionen Euro und Italien 112 Millionen Euro für Maßnahmen zur Flüchtlingsabwehr erhielt.
Doch bei Stacheldrähten soll es nicht bleiben, diskutiert werde über eine intelligente Grenzsicherung. Die Europäische Union plane drei Hochtechnologieprogramme, mit denen eine noch bessere Überwachung der See- und Landgrenzen möglich sein solle. Wärmebildkameras sollten illegale Grenzübertreter aufspüren und biometrische Datenbanken Einreisender sollten auch ohne Papiere zuverlässig registriert werden.
Es ist ein "eiserne Vorhang", der West-Europa zunehmend umschießt und Wirksamkeit zeigt. Die Anzahl der Flüchtlinge, die Westeuropa auf dem Landweg erreichen konnten, ist drastisch gesunken. Die Stachedrähte treiben die Menschen auf das Meer. Vom Seeweg aus versuchen sie verzweifelt, den sicheren Hafen West-Europas zu erreichen, um nicht Opfer von Krieg, Zerstörung, Verfolgung, Elend und Vernichtung zu werden.
Mehr als 20000 Menschen fanden so seit Anfang der 1990er Jahre den Tod - Kollateralschäden auch des Fonds „Solidarität und Steuerung“.
Eine legale Einreise von Flüchtlingen nach Westeuropa ist quasi unmöglich. Um ihr Leben und das ihrer Familien zu retten, haben die Flüchtlinge keine andere Wahl, als nach illegalen Mitteln des Grenzübertritts zu suchen. Fluchthelfer und Schleuser bieten ihre Hilfe oder ihre Dienste an, um den ohne sie hilflosen Menschen den Übertritt nach Westeuropa zu ermöglichen. Ihre Bekämpfung wird zum Hauptziel der westeuropäischen Flüchtlingspolitik erklärt. Nicht die Flüchtlinge, sondern die Schleuser wolle man bekämpfen, sagen diejenigen, die den eisernen Vorgang erbauen und täglich an seiner Perfektionierung arbeiten. Dass ohne die Fluchthelfer und Schleuser mehr Flüchtlinge als bisher ihr Leben bereits vor der Übersetzung über das Meer in den Kriegsgebieten dieser Welt verlieren würden, wird nicht gesagt, wohl aber einkalkuliert. Denn nach der Logik des eisernen Vorhanges der Flüchtlingsabwehr ist jeder Flüchtling, der sein Ziel erreicht, ein Flüchtling zu viel. Diejenigen, die es trotz alledem schaffen, sind nicht in Sicherheit, sondern werden innerhalb der europäischen Union von Polizeibehörden gejagt, die in korrekter Bezeichnung besser als "Flüchtlingsfänger" bezeichnet werden sollten. Unter dem Codewort "Mos Maiorum" wurde soeben diese grenzüberschreitende Menschenjagd verschärft.
Die Politik Europas gegenüber den Flüchtlingen in dieser Welt erinnert an Maßnahmen der Insektenabwehr. Symbolisch werden Flüchtlinge zu Heuschrecken, die über fruchtbare Länder herfallen und sie kahlfressen. Die Heuschrecken mit allen Mitteln fernzuhalten, ist offizielle europäische Politik. Dass nicht West-Europa kahlgefressen, sondern die Herkunftsländer der Flüchtlinge auch durch die Politik West-Europas in Schutt und Asche gelegt wurden, bleibt unbedacht. Die Todesfälle im Meer werden hingenommen, wenn sie nicht sogar als Verbrämungsmaßnahme begrüßt werden.
Das Europa, welches sich zu Menschenrechten und Demokratie bekennt, hat längst begonnen, Flüchtlingen de facto ihren Menschenstatus zu nehmen. Es sind nicht Menschen, sondern Schädlinge, die zu uns kommen. Nur so ist nachvollziehbar, dass die einheimische Bevölkerung vor ihnen geschützt werden soll.
Einstmals verurteilten die westlichen Staaten mit moralischer Emphase den eisernen Vorhang, den die realsozialistischen Länder erbauten. Die Todesfälle an den Außengrenzen der realsozialistischen Welt wurden zu Tötungsdelikten erklärt. Der eiserner Vorhang wurde zum Synonym eines Unrechtssystems.
Was aber ist der moralische Unterschied, Menschen, die hinauswollen, einzusperren, oder aber Menschen, die aus drängender Not hineinwollen, auszusperren? An den Außengrenzen Westeuropas verlieren Menschen ihr Leben, Tag für Tag. Sie wurden ihrer Hoffnungen beraubt, blieben in ihrer Verzweiflung ungesehen, als sie ihren Überlebenskampf verloren.
Was sich heute an den Außengrenzen West-Europas abspielt, ist Menschenvernichtung durch Abwehr und Unterlassung. Sollte eines Tages eine menschenwürdige und solidarische Weltordnung entstehen, wird diese nur mit Erschütterung und Abscheu auf eine europäische Union zurückblicken können, die auf ihre moralische Überlegenheit pochte, während sie gleichzeitig Menschen, die sie retten konnte, dem Tode preisgab. Was für eine ultimative Infamie, dass die Staaten Westeuropas ihrem tödlichen Projekt den Namen "Solidarität" verliehen.
Alle, die sich für Menschlichkeit und Menschenrechte einsetzen, seien gebeten, sich auf die Seite der Flüchtlinge zu stellen. Werden Sie Mitglied von ¨Pro Asyl¨. Unterzeichnen Sie die amnesty international Petition "SOS Europa: Erst Menschen, dann Grenzen schützen". Zeigen Sie, dass Sie sich mit den Opfern der westeuropäischen Flüchtlingsabwehr und den Opfer der modernen Menschenjagd namens Mos Maiorum solidarisieren und dass es - trotz alledem - noch Menschlichkeit gibt!
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Kommentar von Hildegard Denstorf |
Es ist einfach nur beschämend und zutiefst bedrückend, wie die reichen Länder der EU versuchen, sich in einer Art Wagenburg vor den Flüchtlingen dieser Welt immer mehr abzuschotten, und die Hilfesuchenden vor der Tür krepieren zu lassen. Jahrhunderte lang haben die westlichen Staaten die armen Regionen dieser Welt und ihre Menschen ausgebeutet und tun es bis heute. Jetzt, wo das Elend, das wir dort hinterlassen haben, plötzlich in Gestalt von Flüchtlingen an unsere Türen klopft, machen wir alle Zugänge dicht! Was für eine brutale und mitleidlose Gesellschaft!