AfD Parteitag in Hannover: Profiteure von Krieg und Terror
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Was die AfD so gefährlich macht
„Es geht nicht um die NPD, die AfD, Pro oder Die Rechte. Es geht um Deutschland!“, so tönt der ehemalige Vorsitzende der rechtsextremistischen NPD auf seiner Facebook-Seite. Worum geht es aber der AfD, die soeben in Hannover ihren Delegiertenparteitag abhält?
Der Aufschwung der AfD in der Wählergunst wurde und wird begleitet durch eine Zunahme von Flüchtlingen, die Deutschland erreichen. Im Oktober 2015 stammten 53,5% der Flüchtlinge aus Syrien, 7,7% aus dem Irak und 7,1% aus Afghanistan, es kamen also 68,3% der Flüchtlinge allein aus diesen drei Kriegsländern. Weltweit gibt es ca. 60 Millionen Flüchtlinge, neun von 10 werden in Ländern der dritten Welt aufgenommen. Der Libanon hat seit dem Syrienkrieg 1,5 Millionen Menschen aufgenommen, dies entspricht einem Anteil von über 30% an der Gesamtbevölkerung dieses einwohnerbezogen und flächenbezogen sehr kleinen und zudem armen Landes.
Die aktuelle Antwort der AfD auf die Flüchtlinge ist eine angekündigte Strafanzeige der AfD-Führung gegen Bundeskanzlerin Merkel wegen Schlepperei. Vorgeworfen wird Merkel, Kriegsflüchtlingen aus Ungarn die Einreise nach Deutschland erlaubt zu haben. Die Afd fordert einen sofortigen Aufnahmestop für Asylbewerber, da eine menschenwürdige Unterbringung nicht mehr sichergestellt werden könne. Der Familiennachzug für Flüchtlinge soll beendet und die Grenzen sollen besser kontrolliert und für Menschen ohne Visa geschlossen werden. Seit den Terroranschlägen von Paris hat die AfD ihre Rhetorik verschärft, sieht ihre Warnungen als bestätigt an und verweist darauf, dass Terroristen über den „Flüchtlingsweg“ nach Europa gekommen seien.
Bekannterweise werden Visa für Kriegsflüchtlinge nicht vergeben. Zudem verfügt viele Menschen in den Ländern der dritten Welt über keinen Reisepass und in Kriegssituationen oder bei individueller Verfolgung ist die Beantragung eines Passes oft nicht möglich.
Die Forderung der AfD kommt der Forderung gleich, Kriegsflüchtlinge grundsätzlich oder mindestens im Regelfall nicht aufzunehmen.
Übrigens wurde der Visumsantrag von Anne Frank damals von Amerika abgelehnt. Wäre er akzeptiert worden, würde sie womöglich noch heute leben. Ob daran die AfD denkt, wenn sie Menschen das Recht auf Asyl verwehren möchte?
Anne Frank ist kein Einzelfall gewesen. Tausende Juden mussten im Zweiten Weltkrieg ohne Papiere illegal über die Schweizer Grenze fliehen. Viele wurden entdeckt und zurück in den Tod geschickt. Erst spät wurden diejenigen Grenzschützer geehrt, die Juden halfen, die Grenze illegal zu überschreiten. Heute würde die AfD gegen sie wohl Strafanzeige stellen.
Seit jeher gehen Familienväter oftmals die riskantesten Fluchtwege voran, um ihre Frauen, Kinder oder Eltern später nachzuholen. Geht es nach der AfD müssten sich künftig auch Frauen, Kinder und Alte selbst auf den riskantesten Fluchtrouten, wie dem Weg über das Mittelmeer, sofort auf den Weg machen, da künftig ein Familiennachzug nicht mehr möglich sein würde. Nach mehr tote Frauen, Kinder und Senioren wären die Folge.
In Ungarn gibt es kein faires und rechtsstaatliches Asylverfahren. Der ungarische Ministerpräsident hat den Grenzübertritt ohne Papiere zur Straftat erklären lassen und bezeichnet Flüchtlinge pauschal als Terroristen, denen er die Abschiebung ankündigt. Misshandlungen von Flüchtlingen in Ungarn sind gut dokumentiert und vor kurzem wurde ein erschütterndes Video veröffentlicht, welches zeigt, wie Flüchtlingen vergleichbar einer Massenhaltung für Tiere Nahrungsmittel zugeworfen werden, wobei die Versorgung der einzelnen Menschen nicht sichergestellt wird.
"They are blocked here, they are suffering in the heat, we see children all over the place collapsed in absolute exhaustion," berichtet Peter Bouckaert von Human Rights Watch (HRW) über die Lagerinhaftierung von Flüchtlingen in Ungarn. Schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen gegenüber Flüchtlingen in Ungarn, wie auch in anderen Balkan-Staaten, werden ebenfalls von Amnesty International berichtet.
Die menschenunwürdige Verfrachtung der Menschen in Züge, ohne die geringsten Bemühungen der ungarischen Behörden, wenigstens eine Versorgung mit Wasser und Brot sicherzustellen, beschreibt in einem Interview mit unserem Schwesterportal vegan.eu eindringlich Manuel Wetzig, ein freiwilliger Helfer. Er schildert die bedrückende Atmosphäre eingeschüchteter, hilfloser und ängstlicher Menschen, unter ihnen sehr viele Kinder, denen Soldaten mit Maschinengewehren und schweigende oder Befehle rufende Polizisten begegnen, die die Menschen auch mit Schlägen ihrer Stöcke auf die Wagons und Türen antreiben.
Dass in Ungarn Flüchtlinge nicht einmal in Ansätzen menschenwürdig behandelt werden, steht außer Frage. Die Kritik der AfD aber bezieht sich nicht auf diese menschenverachtende Behandlung der Flüchtlinge, sondern auf die Aufnahme der Menschen in Deutschland. Frauke Petry, die Vorsitzende der AfD, lässt gar zur Politik des ungarischen Ministerpräsidenten erklären: „Orban hat Recht“
Deutschland gehört zu den Globalisierungsgewinnern. Der Lebensstandard in Deutschland ist einer der höchsten in der Welt. Möglich wird dies auch, weil die deutschen Konsumenten und Produzenten von billigen Rohstoffen und Arbeitskraft aus Ländern der dritten Welt profitieren. Ein Großteil der in Deutschland verfügbaren Konsumprodukte ist tatsächlich komplett oder mindestens teilweise mit Arbeitskraft aus der dritten Welt hergestellt worden oder enthält Rohstoffe, die in Ländern der dritten Welt unter oftmals prekären Bedingungen gewonnen und zu geringen Preisen von den westlichen Industrienationen aufgekauft werden. Der Wohlstand in Deutschland ist so auch Folge der Armut anderswo.
Doch die AfD verbreitet ein anderes Bild, gemäß dessen Deutschland nicht von Ländern der dritten Welt profitiert, sondern durch Menschen bedroht werde, die aus Ländern der dritten Welt nach Deutschland kommen. Sie macht damit die Opfer, die durch Krieg und Vernichtung alles verloren haben, zu Tätern, die das Leben der deutschen Bevölkerung gefährdeten. Während sie die Menschen in Syrien, der Türkei oder auch in Ungarn festhalten will, fordert sie gleichzeitig einen Aufnahmestopp für Asylbewerber in Deutschland. Eines der reichsten Länder der Welt sei angeblich nicht dazu in der Lage, eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge zu gewährleisten. Damit verdreht die Afd den Begriff der Menschenwürde in sein Gegenteil.
Tatsächlich gehört die AfD hier in Deutschland zu den Profiteuren von Krieg und Terror. Sie gewinnt Wählerstimmen, indem sie Angst vor Flüchtlingen verbreitet. Die Zunahme der Fluchtbewegung begann aber erst ab 2011 als Kriege in Libyen, Syrien und Irak auch aufgrund einer fehlgeleiteten westlichen Politik eskalierten und infolge der islamische Staat (ISIS) als zunehmend globale Terrorbewegung entstand. Die Opfer diese Entwicklung sind in ihrer überwältigenden Mehrheit Muslime, was die AfD nicht daran hindert, sich in die Nähe der Islamhassenden Pegida-Bewegung zu begeben. Auch den Terroranschlag von Paris nutzt die AfD, um für eine noch stärkere Abschottung gegen Flüchtlinge zu plädieren, obwohl die Abschottung Europas gegenüber den Flüchtlingen bereits abertausende Tote gefordert hat und den Schleppern Auftrieb gibt. Denn nur weil Europa den Menschen sichere Fluchtwege vor Krieg und Vernichtung verweigert, kann die geschäftliche Basis der Schlepper entstehen. Die AfD erfüllt damit gleichzeitig das Kalkül der Terrororganisation ISIS, die Flüchtlinge verachtet und an ihrer Diskreditierung ein unmittelbares Interesse hat.
Mit ihrer Politik gegen die Flüchtlinge und damit die Schwächsten der Schwachen steht die AfD für eine Politik der konsequenten Entsolidarisierung und der Entmenschlichung. Nur weil sie in ihrer Rhetorik den Opfern ihrer Politik kein Gesicht gibt und ihnen damit ihren Status als Menschen mit Menschenrechten verweigert, kann sie ihren Kurs durchziehen. So erhält sie Unterstützung nicht nur von denjenigen, die eine Politik des nationalen Egoismus begrüßen, der den Tod von Menschen in Kauf nimmt, sondern auch von Menschen, die desinformiert sind und unter unbegründeten Ängsten leiden, die die AfD schürt.
Die geistige Nähe der AfD zur NPD, die aus dem Zitat ihres ehemaligen Vorsitzenden Voigt deutlich wird, der wegen Verherrlichung der Taten der Waffen-SS und Volksverhetzung verurteilt wurde, ist keine Fiktion, sondern Realität. Anders formuliert steht die AfD für die schlechtest möglichen menschlichen Motive von Egoismus und Kaltherzigkeit. Ihre Gefahr liegt auch darin, dass sie ihren rechtsradikalen und menschenverachtenden Charakter durch Kleinbürger- und Biedermännertum verdeckt. Doch hinter ihrer bürgerlichen Fassade - das zeigt ihre Flüchtlingspolitik - verbirgt sich das alte braune Gedankengut, welches noch niemals davor zurückscheute, vom Leid anderer Menschen profitieren und mit Hetze Politik machen zu wollen.
Bunt statt braun war das Motto der Gegendemonstration zum AfD-Parteitag am 28.11.2015 in Hannover. Es ist den Flüchtlingen und unserer Gesellschaft zu wünschen, dass dieser Aufruf nicht überhört wird und es gelingen wird, die AfD durch ihre Demaskierung als rechtsradikale Partei ebenso zu marginalisieren wie dies mit der NPD trotz anfänglicher und zwischenzeitlicher Wahlergebnisse über Jahrzehnte gelungen ist. Je mehr die etablierten Parteien aber auf den rechtspopulistischen Zug aufspringen und ihre Abschottungspolitik weiter verschärfen, desto weniger wird es gelingen, den Durchmarsch rechtsradikalen Gedankenguts in die bundesdeutsche und europäische Politik zu stoppen.
Demonstration gegen AfD-Parteitag in Hannover am 28.11.2015
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