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Abschiebungs-Skandal in Sachsen: Einer hochschwangeren Frau wird der Partner genommen

(Kommentare: 4)

Die 19 jährige Abiturientin Jessica B. und ihr 32 jähriger Freund Kamel G. freuten sich auf die Geburt ihres gemeinsamen Kindes, als ihren Zukunftsplänen ein jähes Ende bereitet wurde. Mitten in der Nacht wurde Kamel G. durch die Polizei aus dem Asylbewerberheim in Zwickau geholt und nach Italien abgeschoben. Für die werdende Mutter, die in zehn Wochen die Geburt ihres Kindes erwartet, ist eine Welt zusammengebrochen. Die Abschiebung des Partners und werdenden Kindsvaters hat ihre freudige Erwartung in einen Horrortrip verwandelt. Sie musste sich in ärztliche Behandlung begeben und ein Schulbesuch ist ihr so nicht mehr möglich. Ob sie noch wie geplant das Abitur erreichen kann, ist unklar.

 

Fassungslos ist auch Marina B., Jessicas Mutter. Im Telefonat berichtet sie, dass sie anfangs selbst skeptisch gegenüber der Beziehung ihrer Tochter gewesen sei. Aber das Verhalten von Kamel G. habe sie überzeugt. Seine Ehrlichkeit und seine guten Umgangsformen hätten ihre anfängliche skeptische Meinung in das Gegenteil verkehrt. Kamel G. sei ein Mensch, der auf der Straße achtlos weggeworfenen Abfall aufhebe, um ihn in den Papierkorb zu tun. Er sei zu gut und denke, alle seien ihm wohlgesinnt. Jessica und ihr Freund hätten sich sehr ernsthaft über die Schwangerschaft und ihre Konsequenzen unterhalten und sich dann gemeinsam für das Kind entschieden. Kamel G. habe sich ihrer Tochter gegenüber dabei als sehr verantwortungsvoll gezeigt. Er habe seine Vaterrolle aktiv wahrnehmen und bei der Geburt dabei sein wollen. Diese Anwesenheit ihres Freundes bei der Geburt sei für ihre Tochter von sehr großer Bedeutsamkeit.

 

Tatsächlich ist aus der psychologischen Forschung bekannt, dass die Anwesenheit des Partners bei der Geburt für viele Frauen von immenser psychischer Bedeutsamkeit ist und den mit einer Geburt verbundenen Stress deutlich mindern kann. Ebenso ist es bekannt, dass eine Belastung, wie sie Jessica B. mit der nächtlichen Abschiebung ihres Partners erleben musste, sich traumatisch auswirken und die seelische Gesundheit einer werdenden Mutter, aber auch den Verlauf von Schwangerschaft, Geburt und die Mutter-Kind-Beziehung beeinträchtigen kann. Die Entwicklung eines Kindes kann demgegenüber durch eine tragfähige partnerschaftliche Beziehung gefördert werden. Heute wissen wir, dass auch der Vater-Kind-Beziehung eine erhebliche Bedeutsamkeit für die Entwicklung eines Kindes zukommt.

 

Marina B. ist sprachlos, dass ihre Tochter und ihr Partner vor der Geburt des gemeinsamen Kindes auseinandergerissen wurden. Sie fühlt sich hilflos in Anbetracht der Verzweiflung ihrer Tochter.

 

Wer ist dafür verantwortlich, dass einer hochschwangeren werdenden Mutter kurz vor der Geburt der Partner weggenommen wird? Wer hat die Entscheidung getroffen, dass das Kind von Jessica B. ohne seinen Vater und ohne die Geborgenheit der partnerschaftlichen Beziehung zwischen seiner Mutter und dem Vater aufwachsen soll? Wie kinder- und familienfreundlich ist eigentlich unser Land, wenn Familien auf derartig rabiate Art und Weise auseinandergerissen werden dürfen?

 

Auf ihre Fragen haben Marina B. und ihre Tochter bisher keine Antworten erhalten. Kein Behördenvertreter sah sich bisher genötigt, sich nach dem Befinden von Jessica B. zu erkundigen. Niemand versuchte, ihr zu erklären, was passierte und niemand auf Behördenseite hat ihnen bisher Hilfe angeboten,was sie tun können, damit Jessica B. in zehn Wochen bei der Geburt ihrer Tochter nicht ohne die Begleitung ihres Partners sein wird?

 

Der Sachbearbeiter für Ausländerrecht des Landratsamt des Landkreis Zwickau hat per Fax auf eine Anfrage des Verfassers mitgeteilt, dass die Zentrale Ausländerbehörde Chemnitz der Landesdirektion Sachsen für aufenthaltsbeendende Maßnahmen zuständig sei. Der Präsident der Landesdirektion Sachsen, Dietrich Gökelmann, ließ eine Anfrage des Verfassers bisher unbeantwortet. Die Pressestelle des sächsischen Innenministeriums teilte mit, dass der Vorgang geprüft und zeitnah eine Antwort erfolgen werde. Marina B. wiederum wurde durch die Ausländerbehörde Zwickau mitgeteilt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Chemnitz zuständig sei. Dort habe man ihr aber lediglich gesagt, sie werde keinerlei Auskünfte erhalten.

 

Im Gespräch mit Marina B. wird ein weiteres Problem der Handhabung unseres Ausländerrechts und der mit ihm verbundenen Abschiebepraktiken sichtbar:

 

Kamel G. verfügte über keine Geldmittel, er konnte sich keinen Rechtsanwalt, der mehrere Tausend Euro gekostet hätte, leisten. Ebenso wenig verfügt Jessica B. über ausreichende finanzielle Mittel. Auch Marina B. ist alles andere als eine wohlhabende Frau. Mit ihrer Erwerbsminderungsrente wäre sie überfordert, hohe Rechtsanwaltsgebühren zu begleichen. So durchlief Kamel G. offenbar das Asyl – und Abschiebeverfahren ohne die fachkundige Begleitung eines Rechtsanwaltes. Er habe sich – erklärt Marina B. - auf die Beratung im Asylbewerberheim verlassen, von wo aus auch Schriftstücke ausgefüllt worden seien.

 

Kamel G, Jessica B. und Marina B. vertrauten schließlich nach der Schilderung von Marina B. auf den Hinweis der Ausländerstelle Zwickau, dass durch eine vorgeburtliche Vaterschaftsanerkennung eine Abschiebung verhindert werden könnte. Diese vorgeburtliche Vaterschaftsanerkennung wurde der Ausländerbehörde vorgelegt. Umso überraschter und entsetzter sind Jessica B. und ihre Mutter, dass Kamel G. mit Schlafanzug und Badeschlappen bekleidet mitten in der Nascht von vier Polizisten aus dem Asylbewerberheim geholt worden und es ihm nicht gestattet worden sei, private Sachen oder andere Kleidung, außer die, die er am Leibe trug, mitzunehmen. Im Pyjama sei er nach Italien abgeschoben worden, wo er sogar kurzzeitig habe unter freiem Himmel übernachten müssen. Von seiner Abschiebung habe Jessica B. erst auf dem Schulweg erfahren.

 

Nach dem Bericht von Marina B. ist es Jessica und Kamel zunächst gelungen, über Facebook in Kontakt zu bleiben, aber gerade jetzt sei dieser Kontakt abgebrochen, nachdem Kamel in eine neue Unterkunft gebracht worden sei. Marina B. schildert, dass er noch habe mitteilen können, dass alle Flüchtlinge sich hätten draußen nackt ausziehen müssen und diejenigen geschlagen worden seien, die sich dieser entwürdigenden Behandlung entziehen wollten.

 

Ob jemand diesen Bericht prüfen wird? Ob er Auswirkungen auf die anhaltende Abschiebepraxis nach Italien haben wird, wo eine menschenwürdige Versorgung von Flüchtlingen nicht gewährleistet ist?

 

Noch etwas wird aus dem Vorfall deutlich:

 

Abschiebungen richten sich nicht nur gegen die direkt betroffenen Ausländer, sondern betreffen einen viel größeren Personenkreis als gemeinhin angenommen wird. Marina B., Jessica B., Kamel G. und das noch ungeborene Kind, sie alle sind die Opfer dieser Abschiebung geworden, die offenbar von allen Erwägungen der Menschlichkeit absah und die Zerstörung einer werdenden Familie in Kauf nahm.

 

Marina B. möchte ihrer Tochter mit allen ihren Kräften beistehen. Sie unterstützt den festen Willen ihrer Tochter, an der Beziehung zu Kamel G. festzuhalten und mit ihm zusammen ihr gemeinsames Kind zu erziehen. Verletzende, bösartige und rassistische Facebook-Kommentare, selbst von eigenen Klassenkameraden von Jessica B., erschüttern ihre Entschlossenheit nicht. Nur weiß sie nicht, wie sie dies alles schaffen soll, zumal nicht nur ihr Geldbeutel nicht prall gefüllt ist, sondern auch ihre Gesundheit beeinträchtigt ist. Aber sie möchte ihre Tochter in dieser schwierigen Zeit begleiten und dem Enkelkind eine gute Zukunft mit Vater und Mutter zu ermöglichen.

 

Aber noch einen weiteren Schluss zieht Marina B.:

 

Sie möchte künftig ehrenamtlich anderen Menschen helfen. Denn erst jetzt, wo sie selbst betroffen sei, sei ihr bewusst geworden, wie hoch der Hilfsbedarf sei.

 

Der sächsische Innenminister Markus Ulbig sieht sich als Familienfreund und hat selbst vier Kinder. Ob er es Jessica B. ermöglichen wird, sich bei der Geburt in zehn Wochen durch ihren Partner Kamel G. begleiten zu lassen und gemeinsam mit ihm das Kind zu erziehen? Wir haben in seinem Ministerium nachgefragt und werden über die Antwort berichten.

 

Verfasser: Guido F. Gebauer

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Kommentar von Manno |

Und zum heiraten der werdenden Mutter war er zu feige?

Kommentar von Rumpelbiene |

@manno der Kommentar War unter aller Würde. Wenn eine Vaterschaftsanerkennung gereicht hätte, um die Abschiebung zu verhindern, wäre das ja kein Ding gewesen. Aber einfach heiraten geht eh nicht, dazu ne werden in der Regel Dokumente von heimatlichen Behörden benötigt, nur wie ran kommen?
So viel herzlosigkeit trifft man selten.
Das behördliche vorgehen ist inakzeptabel, unmenschlich und wird den familiären Gegebenheiten deutscher (teil-) Familien nicht gerecht. Da offenbart sich, wie "zivilisiert" wir wirklich sind.
gar nicht.

Kommentar von Dawid |

Die Verantwortung tragen auch die Handlanger ( aka Polizisten) - denn sie sagen sich einfach: wir befolgen nur Befehle bzw. gesetzliche Anordnungen etc. Leider müssen Polizisten sowie Soldaten sich dieser Verantwortung stellen und ihre Handlungen bzw. die ihnen aufgetragenen Aufgaben moralisch überdenken und auch mal den Mut aufbringen zu einer Aufgabe Nein zu sagen!

Kommentar von Dorn |

Eine Familie, Grundgesetze, Werte spielen für deutsche Behörden keine Rolle. Ein Fall der Moral und ein wirkliches Gesicht der Heuchelei. Es ist nicht die einzige Geschichte. Millionen von Menschen können sich mit Deutschland nicht mehr identifizieren. Wer noch mitmacht, ist selber schuld.