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„Libyen ist voll von Grausamkeit“, aber für Flüchtlinge ein sicherer Ort?

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Die Staaten der europäischen Gemeinschaft wollen die Fluchtbewegungen über das Mittelmeer durch eine Bekämpfung von Schleusern und die Zerstörung von Booten bekämpfen. Im Ergebnis könnten bis zu einer Millionen Flüchtlinge, Männer, Frauen und Kinder, im nordafrikanischen Staat Libyen festhängen. Was aber würde dies für die betroffenen Menschen bedeuten und wie wäre eine solche Strategie mit humanitären Gesichtspunkten vereinbar?

 

Ein aktueller Bericht von Amnesty International unter dem Titel 'Libya is full of cruelty': Stories of abduction, sexual violence and abuse from migrants and refugees erlaubt eine eindeutige Beantwortung dieser Frage:

 

Die durch die Staaten der europäischen Gemeinschaft angestrebte Strategie käme einer Auslieferung der Flüchtlinge an kriminelle und islamistische Strukturen gleich. Mithilfe dieser Strategie würden die Staaten der europäischen Gemeinschaft Vorschub leisten für Verscheppungen, Versklavungen, Folter, Vergewaltigungen und Exekutionen. Dies betrifft auch explizit eine Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache, da Flüchtlingen, die durch diese festgenommen werden, häufig in offizielle und inoffizielle Internierungslagern transferiert werden, in denen sie Misshandlungen, Folter, Nahrungsmittelvorenthaltung, katastrophalen hygienischen Bedindungen, Versklavung oder gar extralegalen Tötungen ausgesetzt sind.

 

Es besteht ebenfalls die Gefahr, dass durch eine Strategie, die die Flüchtlinge von den Booten fernhält, Flüchtlinge vermehrt unter die Herrschaft von Strukturen des islamischen Staates (IS, ISIS, ISIL) geraten könnten, der immer wieder in Libyen durch Exektionen und Enthauptungen auch von Migranten und Flüchtlingen in Erscheinung tritt, wobei er zueltzt 30 christliche Flüchtlinge aus Äthiopien durch Enthauptung oder Erschießung exekutierten ließ.

 

Im Bericht von Amnesty International werden erschütternde Einzelfälle geschildert, die deutlich machen, dass Flüchtlinge im gesamten Land in Gefahr sind, verschleppt, versklavt, gefoltert, vergewaltigt oder sogar getötet zu werden. Keineswegs ausschließlich, aber besonders stark betroffen sind Menschen mit dunkler Hautfarbe, denen gegenüber im Post-Gaddafi-Libyen mit offenem Rassismus aufgetreten wird.

 

Neben ideologisch (islamistisch) motivierten Verschleppungen und Exekutionen dominieren kriminelle Banden, die Flüchtlinge zweckes Erpressung von Lösegeldern unter im Regelfall menschenunwürdigen Bedingungen oft monatelang festhalten. Verschleppungen betreffen Flüchtlinge, die Libyen als Durchgangsstation nutzen, aber auch Migranten, die teilweise seit Jahrzehnten in Libyen leben. Viele dieser Migranten streben erst nach den Erfahrungen von Verschleppung, Versklavung, Todesdrohungen und Folter eine Flucht nach Europa an. Verschäft wird die Problematik dadurch, dass Ägypten und Tunesien ihre Grenzen für Flüchtlinge weitgehend geschlossen haben, so dass die Flüchtlinge nur die Alternative haben, in Libyen zu bleiben oder aber nach Europa zu fliehen.

 

Wenn die Staaten der europäischen Union nunmehr mit ihrer Absicht Ernst machen sollten, die Flucht nach Europa weiter zu erschweren, wird eine noch größere Anzahl an Menschen für noch längere Zeit diesen allen Grundsätzen der Menschlichkeit widersprechenden Bedingungen in Libyen unterworden werden. Zudem ist vor dem Hintergrund der vielfältigen und wechselhaften kriegerischen Handlungen im gesamten Land zu erwarten, dass vermehrt Flüchtlinge Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen werden würden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Flüchtlinge und auch ganze Internierungslager in die Hände des islamischen Staates fallen und damit zu Zentren für propagandistisch genutzte Massenexekutionen werden könnten.

 

Die in den letzten Tagen berichteten Masseninhaftierungen von Flüchtlingen durch die libysche Küstenwache vor Tripoli geben Anlass zur berechtigten Sorge, dass eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Staaten der europäischen Union und libyschen Einrichtungen bereits begonnen hat. Dabei herrscht in Tripoli eine islamistische Milizen-Regierung und das weitere Schicksal der inhaftierten Flüchtlingen ist völlig ungewiss. Dies gibt umso mehr Anlass zur Sorge, als dass der deutsche Frontex Verantwortliche Klaus Rösler bereits Ende 2014 dazu aufforderte, keine Flüchtlinge in libyschen Gewässern mehr zu retten, sondern lediglich die libysche Küstenwache einzuschalten. Dies tat er in vollem Wissen darum, dass die libysche Küstenwache sich in einem desolaten Zustand befindet, es keine funktionstüchtige Zentralregierung oder Administration in Libyen mehr gibt und Flüchtlingen in Libyen unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert werden. Implizit kann die Forderung von Klaus Rösler nur als eine Aufforderung dazu verstanden werden, die Flüchtlinge ertrinken zu lassen, falls die libysche Küstenwache sie nicht rettet, und im Übrigen die Augen vor der Unmenschlichkeit zu verschließen, denen Flüchtlinge nach einer Inhaftierung durch die Küstenwache ausgesetzt sein können. Klaus Rösler ist weiterhin deutscher Verantwortlicher bei Frontex und es ist zu befürchten, dass er im Auftrag der Länder der europäischen Union diese Forderung letztlich tatsächlich umsetzen wird. 

 

Amnesty International fordert die europäische Union demgegenüber auf, dafür Sorge zu tragen, dass Flüchtlinge sich nicht in einer auswegslosen Situation in Libyen wiederfinden. Vielmehr müssten sichere Fluchtkorridore für die Flüchtlingen geschaffen werden. Ebenfalls werden Tunesien und Ägypten aufgefordert, ihre Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen.

 

Libyen ist ein zerfallener Staat, indem eine Menschenrechtskatastrophe herrscht. Zu dieser Entwicklung hat auch eine verfehlte Kriegspolitik von Staaten der westlichen Gemeinschaft aktiv beigetragen. Der militärische Sturz des Diktators Gaddafi hat nicht zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage in Libyen geführt, sondern hat die Menschenrechtslage in Libyen für Flüchtlinge und libysche Staatsbürger dramatisch verschlechtert und Libyen in einen failed state verwandelt. Indem die Staaten der europäischen Gemeinschaft nunmehr ,Flüchtlinge vom Mittelmeer durch Gewaltmittel fernhalten und damit einem zerfallenen Staat übergeben wollen, übernehmen sie weder Verantwortung für die eigenen Fehler noch handeln sie menschenwürdig.

 

Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken zu lassen, ist unmenschlich, sie an zerfallene staatliche und quasi-staatliche Strukturen, Milizen, islamistische Terroristen und kriminellen Banden zu übergeben ebenso.

 

Das Thema bleibt aktuell, bitte unterzeichnen Sie auch die Petition „Seenotrettung für Flüchtlingen jetzt!

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Kommentar von Henk Mantel |

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