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Toleranz: Was wir von Kambodscha lernen können

(Kommentare: 4)

In den westlichen Industriestaaten dominiert die Überheblichkeit gegenüber Menschen und Gesellschaften in der sogenannten dritten Welt.

 

Ein Aufenthalt in Kambodscha führte dem Verfasser dieses Artikels eine andere Perspektive vor Augen - von anderen Ländern und Gesellschaften lernen, anstatt sich auf seine vermeintliche Überlegenheit zurückzuziehen und zu belehren.

 

Kambodscha ist eine mehrheitlich buddhistische Gesellschaft. Doch in der Hauptstadt Phnom Penh sind die Moscheen gut sichtbar. Anders als in Deutschland sind sie nicht unscheinbar in Hinterhöfen versteckt, sondern sie sind architektonisch im Stadtbild hervorgehoben. Sie sind nicht nur sichtbar, sondern auch weithin hörbar, übrigens durchaus oft gemeinsam mit den buddhistischen Tempeln, die wiederum nicht selten in unmittelbarer Nachbarschaft plaziert sind. Aus den Moscheen erschallt der Gebetsruf, aus den Tempeln buddhistischer Gesang.

 

Der Verfasser hat mit dutzenden buddhistischen Kambodschanern gesprochen und immer wieder begegnete ihm die gleiche Reaktion:

 

Kein einziger der Befragten schien zuvor auch nur auf den Gedanken gekommen zu sein, dass es ein Problem sein könnte, wenn in unmittelbarer Nachbarschaft Moscheen gebaut werden oder der muslimische Gebetsruf erschallt. Erstaunen und oft überrascht-ungläubiges Lächeln begegnete dem Verfasser als er seinen Gesprächspartnern erläuterte, dass in Deutschland Moscheen versteckt würden, bei jedem Neubau erst einmal Demonstrationen "besorgter Bürger" erfolgten und sich überdies keine Moschee wagen würde, der Nachbarschaft ihren Gebetsruf vorzuspielen.

 

Auch vor einer Islamisierung Kambodschas fürchtete sich übrigens keiner der Befragten.

 

Der Verfasser sprach ebenfalls mit zahlreichen muslimischen Kambodschanern und hier ergab sich das gleiche Bild:

 

Ein unbekümmertes und friedliches Neben- und Miteinander mit der buddhistischen Nachbarschaft.

 

Keiner der vielen kambodschanischen Gesprächspartner des Verfassers sah die Gefahr einer Radikalisierung der dortigen Muslime oder einer religionsbegründeten feindlichen Spaltung der Gesellschaft. Unterschiede wurden wahrgenommen, aber nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung erlebt – bis hin zu dem jungen buddhistischem Mann, der erklärte, er sei so begeistert von der muslimischen Tracht, dass er sie gerne trage.

 

Was für ein Unterschied zum buddhistischen Myanmar, wo radikale Mönche zur Lagerinhaftierung der seit Jahrzehnten unterdrückten muslimischen Rohingyas oder gleich zu deren kompletter Vertreibung aufrufen! Jahrzehntelange Isolation von der Außenwelt durch die Militärdiktatur, der Mythos eines monolithischen Staatsvolkes und die Diskriminierung von Minderheiten haben in Myanmar ihre furchtbaren Spuren hinterlassen.

 

Auch in Deutschland und Europa wird ein anderer Weg beschritten als in Kambodscha. Hier sehen wir weniger die wechselseitige Freude am anderen, sondern es ziehen in Deutschland die Pegidas und AfDler durch die Straßen  - die Kleinbürger, Spießer, Fremdenfeinde und Rassisten, die offenbar ähnlich wie einstmals die NSDAP unter Heimat die Monotonie eines „reinen Volkskörpers“ verstehen, der in Wirklichkeit ebenso Fiktion wie gefährlicher Sprengsatz ist. Ihre Einstellung teilen sie mit ihren scheinbar ärgsten Gegnern, den islamistischen Fundamentalisten, für die es ebenso undenkbar wäre, in friedlicher Nachbarschaft mit Tempeln und Kirchen zu leben.

 

Dieser Artikel handelt nicht von der Geschichte Kambodschas, nicht von den Verheerungen unter den roten Khymern, die es übrigens ohne das US-amerikanische Massenbombardmement wohl nie gegeben hätte, und auch nicht von den zahlreichen Problemen des heutigen Kambodschas, sondern er handelt von der Freundlichkeit, Offenheit und Toleranz, mit der die Menschen in Kambodscha mit Unterschieden umgehen, Unterschiede die sie nicht als Minderung, sondern als Steigerung ihrer Lebensqualität und farbenfrohe Anreicherung ihres Stadtbildes und ihrer Gesellschaft erleben.

 

Würde Europa in Kambodscha nicht nur seine Textilien produzieren lassen, sondern von Kambodscha lernen, wären die Aussichten hoch, dass es uns gelingen könnte, der Entstehung und Ausbreitung von Terror einen wirksamen Riegel vorzuschieben. Überlassen wir aber Pegida, AfD und den anderen politischen Profiteuren des Terrors das Feld, werden wir die Chance für einen toleranteren, friedlicheren und freundlicheren Umgang miteinander verspielen. Damit würden wir genau das umsetzen, was dem Interesse von al-Qaida, ISIS und anderen Terrorgruppen entspricht und ihre Propaganda eines angeblichen Kreuzzugs gegen den Islam unterstützt.

 

Verfasser: Guido F. Gebauer

 

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Kommentar von Regina |

Ich stimme dem Artikel aus ganzem Herzen zu. Ich bin auf allen Kontinenten und in vielen Ländern gewesen, auch in vielen Ländern Asiens. Nirgendwo habe ich so freundliche, geduldige und liebevolle Menschen getroffen wie in Kambodscha!

Kommentar von Srey Thmenh Chey |

Aber es gibt in Kambodscha auch Hitlers die gegen katholische Vietnamesen umbringen wollen: https://www.khmertimeskh.com/50792043/racist-sam-rainsy-now-praises-vietnamese-and-downgrades-cambodia/ ... ziehmlich schlimm!!!

Kommentar von Srey Thmenh Chey |

Das Schicksal der Montagnards ist ein fortwährendes Thema. Die kambodschanische Regierung war gegenüber dieser christlichen Minderheit, die ursprünglich aus dem zentralen Hochland Vietnams stammte und aus religiösen und politischen Gründen geflohen war, äußerst hart. Ihr Exodus ist nichts Neues – er begann 2001, nachdem in der Folge einige Gruppen untergetaucht waren und 2006 wieder aufgetaucht waren – und hält bis auf den heutigen Tag an. In den letzten Jahren hat Phnom Penh nicht gezögert, Montagnards gegen ihren Willen nach Vietnam zurückzuschicken. Nur sehr wenige können vom örtlichen UNHCR-Büro den Flüchtlingsstatus erhalten. Im Juli 2017 wurden 16 Montagnards verhaftet und nach Vietnam zurückgeführt, während weiteren 13 es gelang auf die Philippinen zu gehen.

Von den anderen 224 Asylbewerbern in Kambodscha gab das Flüchtlingsamt in Phnom Penh an, dass nur drei den Flüchtlingsstatus erhalten würden, da die anderen als illegale Migranten gelten, die in der Folge an die repressiven Regime in der südostasiatischen Nachbarschaft übergeben wurden.

Kambodschas muslimische Cham-Minderheit scheint die Regierung auch verärgert zu haben. Es handelt sich um die Erben des Königreichs Champa, deren Vorfahren im 13. Jahrhundert zum Islam konvertierten. In den letzten Jahren haben sie einen Prozess der Re-Islamisierung durchlaufen. Die bisher unbekannte Praxis, einen Schleier zu tragen, ist bei Cham-Frauen aufgetaucht, und 2014 behauptete der Islamische Staat, dass kambodschanische Cham im Irak und in Syrien an ihrer Seite kämpfte – Behauptungen, die allerdings nicht von unabhängigen Quellen bestätigt werden konnten. Im Juni 2016 ordnete die kambodschanische Regierung die Schließung von Radio Sap Cham an, einem Radiosender, der seit 2004 eine vierstündige tägliche Sendung ausgestrahlt hatte, die sich der Sprache, Kultur, Religion und Identität von Cham widmete.

In Bezug auf den vorherrschenden Buddhismus überwacht die Polizei Pagoden, in denen Mitglieder des unabhängigen Mönchsnetzwerks für soziale Gerechtigkeit aktiv sind. Die Behörden machen aus der Überwachung kein Geheimnis. In der Provinz Battambang wurde während der Kommunalwahlen im Juni 2017 ein Mönch, Venerable Horn Sopanny, festgenommen, nachdem er mit einer Wasserpistole in der Hand auf seiner Facebook-Seite erschienen war. Horn Sopanny, der auf dem Foto das orange Möchshabit trug, kritisierte die Regierung und sagte, dass seine Waffe in dem Bürgerkrieg eingesetzt werden würde, den der Premierminister angekündigt hatte, falls seine Partei CPP bei den Wahlen verlieren sollte. Der Mönch wurde am 21. Juni des jahres wegen illegalen Waffenbesitzes verhaftet, obwohl offensichtlich war, dass der "Revolver" ein Plastikspielzeug war.

Kommentar von Srey Thmenh Chey |

https://www.rfa.org/english/news/cambodia/monks-06272017172015.html/cambodia-horn-sophanny-crop.jpg