Als Menschenrechte werden subjektive Rechte bezeichnet, die jedem Menschen gleichermaßen zustehen. Das Konzept der Menschenrechte geht davon aus, dass alle Menschen allein aufgrund ihres Menschseins mit gleichen Rechten ausgestattet und dass diese egalitär begründeten Rechte universell, unveräußerlich und unteilbar sind. Das Bestehen von Menschenrechten wird heute von fast allen Staaten prinzipiell anerkannt. Die Universalität ist gleichwohl Grundlage politischer Debatten und Auseinandersetzungen.
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In Libyen verschleppt, versklavt, verkauft, vergewaltigt, wieder und wieder, dies ist das erschütternde Schicksal von Ruta Fisehaye. Sie hat überlebt, weil sie es auf eines der rettenden Boote schaffte, welche Europa stoppen will. Die Wirklichkeit ist unbarmherzig: Wer die Boote nicht erreicht, den erreicht der Tod - oder die Hölle auf Erden. Die Antwort Europas ist aber die Abschottung der Grenzen. Vor unseren Augen geschieht so ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Doch wir schließen die Augen und inszenieren uns lieber als Opfer. Kollektive Leugnung hat Europa ergriffen. Tatsächlich aber sind wir Teil dieses Verbrechens.
Terror und Gewalt haben längst Europa erreicht. Bis jetzt aber verpasst es Europa, die eigene Mit-Verantwortlichkeit hierfür zu benennen und daraus Schlüsse für künftiges Handeln zu ziehen. Bevor Europa sich anschickte, Libyen, Syrien und den Irak in Brand zu setzen, gab es keinen Islamischen Staat (ISIS). Jetzt aber werden Sündenböcke gesucht, anstatt nach einem Ausweg zu suchen. Wenn in einer Stadt ein Mord geschieht, würde wohl niemand auf den Gedanken kommen, eine ganze Stadt dafür verantwortlich zu machen, um dem Mörder habhaft zu werden. Wenn aber ein Flüchtling einen Terroranschlag verübt, kommen Politiker auf den Gedanken, Flüchtlinge künftig sogar direkt in Krisengebiete, also in den Bombenhagel oder direkt zur ISIS nach Syrien abzuschieben. In Wirklichkeit wird eine solche Politik der Härte den Terror nicht mindern. Sie wird vielmehr ein gesellschaftliches Klima schaffen, indem sich umso mehr Menschen entfremdet fühlen und sodann leichter für die Terrormaschinerie gewonnen werden können.
Verfasser Guido F. Gebauer analysiert die vier entscheidenden Fehler der westlichen Staatengemeinschaft, die maßgeblich den Zusammenbruch des jahrelangen Demokratisierungsprozesses in der Türkei verursachten. Aus seiner Analyse leitet er Möglichkeiten ab, wie die westliche Staatengemeinschaft durch einen Kurswechsel der Eskalation entgegenwirken und so Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei fördern könnte. Der Beitrag warnt vor einer Politik des Zuschauens und des „Weiter so“, um den Flüchtlingsdeal mit der Türkei zu retten. Für diesen Deal hätten die EU-Staaten einstmals den sicheren Drittstaat Türkei erfunden, ein Land, welches weder damals noch heute existiert habe. Mit ihrem Kurs hätten die EU-Staaten letztlich die Eskalation in der Türkei befördert. Gleichzeitig hätten sie für sich selbst Glaubwürdigkeit als Vertreter von Menschenrechten, Wahrhaftigkeit und Rechtsstaatlichkeit verspielt. Eine Kurskorrektur sei daher überfällig.
Der Terroranschlag auf den Atatürk-Flughafen in Istanbul kommt nicht von ungefähr. Letztlich ist er das Resultat einer verfehlten Politik militärisch erzwungener Regimewechsel. Die Kollateralschäden sind beträchtlich. Neben Terror in der Türkei, Frankreich und Belgien, sind auch eskalierende Fremdenfeindlichkeit, Islamphobie und Rassismus, der Tod tausender Flüchtlinge sowie die Zerstörung des Asylrechts als Nebenfolgen zu bewerten. Einen einfachen Ausweg gibt es nicht mehr, aber der Weg der Diplomatie, Rechtsstaatlichkeit, Wiedergutmachung und Humanität wäre sicherlich am ehesten dazu in der Lage, dem Terror eine dauerhafte Niederlage zu bereiten.
Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und Human Rights Watch (HRW) berichten, dass an der türkischen Grenze Flüchtlinge erschossen werden, unter ihnen Kinder. Was aber tun die Bundesregierung unter Angela Merkel und die anderen Regierungen in den Ländern der europäischen Union? Sie schweigen. Das Europa, welches heute im Rahmen eines Deals mit dem türkischen Präsidenten zuschaut, wie türkische Grenzposten Flüchtlinge erschießen, ist kein Europa der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, sondern ein Europa des Egoismus und der Barbarei. Es hat umgesetzt, was AfD-Politiker Gauland fordert: Wir lassen uns nicht von Kinderaugen erpressen - auch nicht, wenn sie uns leblos anschauen aus zerschossenen Köpfen!
Mit den Terroranschlägen von Brüssel ist das Scheitern der Politik der westlichen Staatengemeinschaft offensichtlich geworden. Indem die westlichen Staaten auf gewaltsamen Regimewechsel in Irak, Libyen und Syrien setzten und gleichzeitig bei den Menschenrechten doppelte Maßstäbe praktizierten, haben sie die Entstehung des islamischen Staates (ISIS) und die Ausweitung des Terrors ermöglicht. Als selbstgeschaffener Terror fällt dieser nunmehr wie ein Bumerang auch auf die westlichen Staaten zurück. Die Idee, Kriege nur auf den Gebieten anderer Völker auszutragen, sich selbst aber von dem dadurch bedingten Leid abschotten zu können, ist in sich zusammengebrochen. Doch anstatt nunmehr zur Besinnung zu kommen, aus der Opferrolle herauszutreten und die eigenen Täteranteile zu betrachten, scheinen die politischen Entscheidungsträger auf ein "weiter so" zu setzen, ein "weiter so", welches nach Ansicht des Verfassers Guido F. Gebauer dazu geeignet ist, die Rekrutierungsbasis des islamistischen Terrorismus am Laufen zu halten. Überwunden werden könnte der Terrorismus demgegenüber nach Ansicht des Verfassers durch eine konsequente Umkehr zu einer auf Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Wiedergutmachung für die angerichteten Schäden ausgerichtete Politik. So eine Politik würde nicht unmittelbar militärische Siege erringen, wäre aber dazu geeignet, die Rekrutierungsbasis des Terrors trockenzulegen und damit seine Lebensader zu durchtrennen. Derzeit aber scheint nach Ansicht des Verfassers den politischen Entscheidungsträgern der Sachverstand, der Mut und die Ehrlichkeit zu einer Kehrtwende zu fehlen, so dass auch langfristig mit weiteren Anschlägen zu rechnen sein werde und es dem Terrorismus gelingen könnte, sich dauerhaft international als Machtfaktor zu etablieren.
Unter maßgeblicher Führung durch die Bundesrepublik Deutschland haben die Staaten der EU mit der Türkei einen Deal geschlossen, der vor schweren Menschenrechtsverletzungen die Augen schließt und eine neue Form des regierungsamtlichen Menschenhandels eröffnet. Angela Merkel, die diesen Deal mit ermöglichte und einfädelte, belegt damit aufs Neue, dass sie den Ruf einer humanen Politikerin, den sie weltweit in einer geschickten Public Relation Kampagne verbreiten lässt, nicht verdient. Tatsächlich betreibt die Bundesregierung gemeinsam mit den anderen Staaten der EU eine tödliche Abschottungspolitik, die nur durch die konsequente Außerkraftsetzung von Menschenrechten und die Belobigung von Staaten, die die Menschenrechte verletzen, möglich ist. Der schmutzige Türkei-Deal ist hierfür nur ein weiteres Beispiel.
Muammar Gaddafi prophezeite dem Westen den Aufstieg von al-Qaida in Nord-Afrika und Terroranschläge in Europa. Er sagte zu Tony Blair, dass Libyer sterben, aber auch der Rest der Welt leiden werde. Mittlerweile ist die libysche Gesellschaft zerstört. Das einstmals wohlhabendste Land Afrikas mit dem höchsten Human Development Index (HDI) des Kontinents ist Opfer von Banden sich bekriegender Milizen, Terroristen, Kriminellen und Parallelregierungen geworden. Mit den Anschlägen von Paris und Istanbul erfüllt sich auch der zweite Teil der düsteren Prophezeiung des libyschen Revolutionsführers. Doch anstatt nun umzukehren, Verantwortung für die eigenen Fehler zu übernehmen und zu einer Politik der weltweiten Solidarität und Menschlichkeit zu finden, reagiert ein Europa der Egoisten auf den Terror mit der Perfektionierung der Abschottung gegenüber dem durch uns mit verursachtem Leid der anderen. So sind wir in Europa längst in gemeinsamer Menschenverachtung vereint mit unseren ärgsten Gegnern von al-Qaida und dem Islamischem Staat (ISIS).
Saudi-Arabien unterdrückt im Inneren jeden Widerstand gegen seine radikale wahabitsche Staatsideologie und greift dabei auch zu den Mitteln von Exekution, Enthauptung und Kreuzigung. Dennoch betrachten die westlichen Staaten Saudi-Arabien, welches weltweit für die Ausbreitung eines fundamentalistischen Islam eintritt, als engen Verbündeten und liefern Waffen in großer Zahl. Indem sich die westlichen Staaten auf den Tauschhandel "Öl gegen Menschenrechte" einlassen, verraten sie die eigenen viel beschworenen Werte. Indem sie Terrorkriege, wie den Krieg gegen den Jemen, mit unterstützen, werden sie letztlich auch selbst zu Unrechtsstaaten.
Amnesty International hat einen erschütternden Bericht vorgelegt, gemäß dessen die Türkei begonnen hat, syrische Kriegsflüchtlinge illegal zu inhaftieren, von ihren Familien zu trennen, zu misshandeln und nach Syrien zu deportieren. Augenzeugen berichten, dass Deportierte mit verbundenen Augen von islamistischen Milizen abgeführt wurden oder sogar in Gefangenschaft von al-Qaida gerieten. Die deutsche Bundesregierung und die Regierungen der anderen EU-Staaten tragen für dieses Verbrechen an syrischen Flüchtlingen, welches alle Maßstäbe der Menschlichkeit außer Kraft setzt, Mitverantwortung. Die illegalen Deportationen syrischer Flüchtlinge in den potentiellen Tod und ihre de facto Auslieferung an islamistische Milizen und al-Qaida können als Ausdruck einer Abschreckungsstrategie verstanden werden, die in letzter Konsequenz die Vernichtung von Menschenleben zum Zwecke der Abschottung der EU-Außengrenzen bedeutet. Die europäischen Union hat in der durch Krieg bedingten Flüchtlingskrise somit endgültig jedes Maß an Anstand und Menschlichkeit verloren.
Deutschland ist in den Krieg in Syrien eingetreten. Doch dieser Krieg dient weder der Humanität noch der Vernunft. Denn die Flüchtlinge, die vor der kriegerischen Eskalation fliehen, sollen nicht aufgenommen werden und gleichzeitig ist die ISIS so nicht zu besiegen. Erforderlich wäre es, in Syrien alle nicht-dschihadistischen Kräfte, auch Assad, an einen Tisch zu bringen, um ISIS isolieren und besiegen zu können. Dies müsste mit Garantien für die Einhaltung der Menschenrechte verbunden werden. Gleichzeitig müssten sichere Flichtwege eröffnet und alle Flüchtlinge aufgenommen werden. Stattdessen setzt die Bundesregierung unter Angela Merkel auf eine Kollaboration zur Grenzsicherung mit der Türkei. Außerdem will sich keiner der beteiligten westlichen Staaten das Scheitern ihrer Syrien-Politik dess bewaffneten Kampfes zum Sturz Assads, aus dem ISIS entstand, eingestehen. Gesichtsbewahrung ist wichtiger als Frieden. Dies macht deutlich, dass das deutsche Engagement ausschließlich egoistisch motiviert ist und keinen humanitären Zielen dient. Entsprechend wird auch das Bündnis mit Saudi-Arabien unverdrossen fortgesetzt und der Krieg im Jemen, der Millionen Menschen vertrieben hat und aktuell mit Hunger bedroht, weiterhin gerechtfertigt. Bereits jetzt ist zudem vorhersehbar, dass im Falle eines Terroranschlages in Deutschland, dessen Risiko durch die Politik der Bundesregierung jetzt erhöht wird, die Flüchtlinge als Sündenböcke verantwortlich gemacht zu werden drohen.
Eine Studie des Institute für Economis and Peace in London zeigt, dass die Anzahl der durch Terrorakte getöteten Personen 2014 dramatisch zugenommen hat und ein Allzeithoch erreicht hat. Seit 2000 hat sich die Anzahl der Terroropfer verneunfacht. Der Krieg gegen den Terror ist demnach gescheitert und wurde von wachsendem Terror begleitet. Nahezu 100% der Terrorfolgen im Hinblick auf Todesopfer werden zudem durch Gesellschaften getragen, die nicht zur westlichen Staatengemeinschaft gehören. Hauptbetroffene sind Syrien, Irak, Afghanistan, Nigeria und Pakistan. Empörung und Anteilnahme, die jetzt die Opfer von Paris begleiten, wurden und werden der überwältigenden Mehrheit der nicht-westlichen Opfer vorenthalten, als ob westliches Leben wertvoller und nicht-westliches Leben minderwertig wäre. Indem nun sogar für eine verschärfte Abschottung gegenüber den Geflüchteten plädiert wird, werden Opfer zu Täter gemacht und es wird das Werk der Terroristen betrieben, die auf eine entsolidarisierte Welt setzen, die die Menschen in lebenswert und nicht lebenswert unterteilt. Statt einem "weiter so" ist eine Umkehr und Rückbesinnung auf universale Werte der Menschlichkeit und Solidarität notwendig, wenn der Terror besiegt werden soll.
Der französische Staatspräsident FrançoisHollande will mit Erbarmungslosigkeit auf den Massenmord von Paris reagieren. Doch eben solche Erbarmungslosigkeit liegt dem Anschlag zugrunde und wird den Terror nicht wirksam bekämpfen können. Die Grundlage für den ISIS-Terorr wurde geschaffen als sich die westliche Staatengemeinschaft gemeinsam mit den Golf-Monarchien für eine Politik der militärischen Konfrontation und des gewaltsamen Regimewechsels im Nahen Osten entschied. Die Vorstellung, der Terror werde auf andere Völker begrenzt bleiben und man könne sich selbst vor ihm abschotten, war von Anfang an naiv und zum Scheitern verurteilt. Nur eine Umkehr zu Rechtsstaatlichkeit, Diplomatie und Kompromissbereitschaft könnte es mittel- bis langfristig ermögichen, das Rekrutierungsreservoire des Terrors trocken zu legen.
Bisher werden die westlichen Staaten ihre Verantwortung für die Kriege und Bürgerkriege in Libyen, Syrien, Irak und dem Jemen nicht gerecht. Notwendig wäre eine Politik der Kompromissbereitschaft und Diplomatie, die auf alle Kräfte zugeht, außer den islamischen Staat (ISIS) und al-Qaida. Maximalpositionen müssen sofort aufgegeben werden. Gleichzeitig steht die westliche Staatengemeinschaft in der Pflicht, den Opfern der zerstörten Gesellschaften in Irak, Libyen, Syrien und Jemen beizustehen und weltweit die Aufnahme und Neuansiedlung aller Geflüchteten zu organisieren. Auch Russland wird bezüglich der Geflüchteten seiner Verantwortung bisher nicht gerecht. Das schlechte Beispiel im Umgang mit den Geflüchteten setzt weltweit gefährliche Maßstäbe für eine Erosion von Menschenrechten und Menschlichkeit.
Die Frankfurter Rundschau hat in einem Artikel plastisch über den Zusammenbruch des libyschen Staates berichtet. Was wird geschehen, wenn im Ergebnis sich weitere Millionen Flüchtlinge auf den Weg machen müssen? Werden wir sie alle sterben lassen, obwohl es die westliche Staatengemeinschaft war, die die libysche Gesellschaft zerstörte? Was werden wir eigentlich tun, wenn es noch mehr Flüchtlinge wegen des Klimawandels geben wird? Anstatt kleinkariert und gnadenlos an der Abschottung Europas zu arbeiten, ist es Zeit, dass wir uns fragen und Konzepte erarbeiten, wie wir ein Vielfaches der aktuellen Flüchtlingsanzahl demnächst aufnehmen können - es sei denn, wir wollten uns millionenfachen Mordes wegen Unterlassens schuldig machen.
Was hunderttausende Tote, zerstörte Städte und Millionen Vertriebene nicht schafften, erreichte eine relativ moderate Anzahl an Flüchtlingen, die Europa erreichte: Die westliche Staatengemeinschaft steht vor einer Kehrtwende ihrer Syrien-Politik. Gespräche mit Assad scheinen numehr möglich, werden von Angela Merkel sogar explizit angeregt. Nach dreijährigem Krieg in Syrien sind die westlichen Staaten also nunmehr dabei, ihre Grundposition im Syrien-Konflikt aufzugeben. Vor der Kehrtwende setzten die westlichen Staaten alles daran, sich von den Folgen der durch sie mit initialisierten Kriege abzuschotten. Dem Politikwechsel der westlichen Staaten gegenüber Syrien liegt ein höchst egoistisches Motiv zugrunde. Weil die Menschen vor unseren Türen stehen, wird plötzlich die Beendigung oder Begrenzung des Syrien-Krieges zur Priorität und die dafür erforderlichen politischen Realitäten werden schrittweise eingeräumt. Eine Beendigung des Syrien-Krieges durch eine Kompromisslösung ist tatsächlich notwendig. Dies macht aber den Umgang aller westlicher Staaten mit den Flüchtlingen nicht weniger schändlich und verachtenswert. Es ist zu befürchten, dass in Europa als Kollateralschaden des Syrien-Krieges ein zerstörtes Asylrecht verbleiben wird, auch wenn der Syrien-Krieg eines Tages zu Ende gehen sollte. Es sind die gleichen politischen Kräfte, die im Namen von Menschenrechte und Freiheit den Krieg in Syrien mit entfesselten, die jetzt hier in Europa daran arbeiten, die Abschottung Europas gegenüber dem Leid und dem Elend der Welt weiter zu perfektionieren. Soeben haben in der Bundesrepublik Deutschland CDU/CSU, SPD und Grüne einer massiven Verschärfung des Asylrechts zugestimmt. Es ist ein Trauerspiel.
Die Verurteilung der Türkei durch die westlichen Staaten und Medien wegen des ISIS-Terror ist eine bodenlose Selbstgerechtigkeit und Heuchelei. Zwar ist die Kritik richtig, aber die westliche Staatengemeinschaft als weiterer Schuldiger wird ausgepart. Erdogan und die Türkei sind so Schuldige und Sündenböcke zugleich. Sie sind schuldig, weil sie aktiv eine Politik betrieben, die den Aufstieg von ISIS (IS) und anderer Islamisten ermöglichte. Sie sind Sündenböcke, weil sie diese Politik nicht allein betrieben, sondern gemeinsam mit ihren jetzigen Anklägern. Indem die westlichen Staaten sich darauf beschränken, die Türkei zum Sündenblock zu erklären, lenken sie die Optik von den eigenen Fehlern ab und nehmen sich so selbst die Möglichkeit, aus ihnen zu lernen und Wiederholungen zu vermeiden.
Sie schlafen in den Parks von Istanbul. Sie verkaufen Wasser oder Taschentücher auf den Straßen. Sie sitzen in den U-Bahnstationen vor den Rolltreppen. Sie bitten um Geld vor den großen Hotels und in den Vergnügungsvierteln. Wer sind diese Frauen, Kinder und Männer, die begonnen haben, die Straßen Istanbuls zu bevölkern? Ümit Oğuz Göksel, Englisch-Dozent und Fotograf, hat diese Frage nicht losgelassen. Er streift abendlich mit seiner Kamera durch Istanbul, um sie und ihr Leben zu fotografieren. Es sind Flüchtlinge aus Syrien, die zu Tausenden aufbrachen, um ein Stück Leben in Istanbul zu finden und es seither nicht fanden. Im Gespräch mit Ümit Oğuz Göksel wird deutlich, dass der türkischen Regierung, der internationalen Gemeinschaft und auch den internationalen Hilfsorganisationen jeder Plan fehlt, um mit diesen Menschen umzugehen. Eine ganze Generation syrischer Kinder und Jugendlicher wächst so auf den Straßen Istanbuls ohne jeden Kontakt zu Bildung und medizinischer Versorgung auf. Erkennbar wird hier das Versagen einer internationalen Gemeinschaft, deren Mitglieder den Mond und Mars bereisen können, sich aber nicht dazu in der Lage sehen, den syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen eine neue Heimat zu bieten.
Soeben wurde im Jemen die Alstadt von Sanaa von der durch die westlichen Staaten unterstützten und von Saudi-Arabien geleiteten Kriegsallianz bombardiert. Fünf Menschen starben und ein Juwel der islamischen Kultur, ein Weltkulturerbe, droht, in Schutt und Asche gelegt zu werden. Noch ist im Jemen nicht alles verloren, aber der endgültige Sturz in den Abgrund kommt immer näher. Wenn die westliche Staatengemeinschaft noch einen Rest an Anstand, Verstand und Menschlichkeit bewahrt haben sollte, muss sie sofort die Unterstützung für diesen Krieg beenden, aus der Allianz mit Saudi-Arabien aussteigen und sich für einen gerechten Kompromiss im Jemen einsetzen. Ein solcher Kompromiss kann sicherlich nicht die Wiedereinsetzung des mit absurden 99,8% "gewählten" saudischen Statthalters Abedrabbo Mansour Hadi als Präsident des Jemen sein.
Ein soeben bekannt gewordenes Dokument des Pentagon vom August 2012 zeigt, dass der US-Regierung das Entstehen eines islamischen Staates in Irak und Syrien, der weltweit dschihadistische Kämpfer anziehen könnte, als eine mögliche Konsequenz des Bürgerkrieges erwartete. Ebenfalls ergibt sich aus dem Dokument, dass der US-Regierung seit langem bekannt war, dass der Aufstand in Syrien vorwiegend von dschihadistischen Kräften getragen wird. Dieses Dokument verweist auf wohl einen der größten Skandale in der Geschichte der US-Außenpolitik. Das Interesse an einem gewaltsamen Sturz Assads wurde von der US-Regierung höher bewertet als die Prävention einer explosionsartigen Machtzunahme radikalster islamistischer Fundamentalisten, einschließlich der bestehenden Gefahr eines durch sie verübten Völkermordes. Gegenüber der Öffentlichkeit verschwieg die US-Regierung aber dieses Szenario, so dass allgemein Überraschung herrschte, als der Islamic State of Iraq and the Levant (ISIL) im April 2013 öffentlich in Erscheinung trat. Als Resümee ergibt sich, dass die USA den islamischen Staat nicht wollten, ihn aber in Kauf nahmen und damit maßgebliche Mitverantwortung für die aktuelle Menschenrechtskatastrophe in Syrien und im Irak tragen. Gleichzeitig zeigen die Ereignisse im Jemen, dass ein Umdenken der US-Politik nicht stattgefunden hat.